Das erste, was die Zuschauer im Hamburger Theater Neue Flora von Tarzan hören, ist nicht etwa sein berühmter Schrei, der durch den künstlichen Dschungel hallt. Nein, es ist sein herzerweichendes Weinen. Die Eltern des kleinen Jungen, als Schiffsbrüchige irgendwo in Afrika gestrandet, wurden von einem Leoparden gerissen. Und er ist ganz allein.
Musical: Tarzan hebt ab
Zum Glück taucht Gorilla-Dame Kala (Ana Milva Gomes) und eine wild gewordene Affenbande auf. Sie seilen sich von der Decke, krabbeln aus den Seitenwänden. Und bewegen sich in ihren farbenprächtigen Kostümen so gorilla-gleich, dass das Zuschauen eine wahre Freude ist.
Ich Tarzan, du Jane
Bis Anton Zetterholm und Elisabeth Hübert, die Gewinner der Sat.1-Casting-Show "Ich Tarzan, du Jane" und eigentlichen Hauptdarsteller des Musicals, die Bühne betreten, dauert es allerdings noch eine Weile. Star des ersten Akts ist ein kleiner Junge, der den jungen Tarzan mimt. Er tollt mit seinen Affenbrüdern über die Bühne - und merkt doch, dass er anders ist. Sein Ziehvater, der gewaltige Gorilla Kerchak (beeindruckend gespielt von Andreas Lichtenberger), traut dem Menschenkind nicht und schiebt ihn in den Dschungel ab. Unter den fürsorglichen Augen seiner Mutter wächst Tarzan dort zu einem stattlichen Dschungel-Jungen heran. Als sich der erwachsene Tarzan Anton Zetterholm mit Mini-Lendenschurz und blonden Dreads dann endlich zum ersten Mal auf die Bühne schwingt, jubelt das Publikum.
Eine der schönsten Szenen des Musical-Abends beschert uns aber nicht Tarzan, sondern Jane (Elisabeth Hübert) als Schmetterlingsforscherin. Unbeholfen tapst sie durch den Urwald, völlig überwältigt von der prächtigen Schönheit der Natur. Da schwebt ein Tänzer im Faltergewand über den Zuschauersaal, öffnen und schließen sich menschliche Blüten im Takt der Musik. Das alles ist so schön, dass Jane gar nicht bemerkt, wie sie sich in einem überdimensionalen Spinnennetz verheddert. Zum Glück beobachtet Tarzan sie schon eine ganze Weile. Er rettet sie - und um die kecke Forscherin ist es geschehen.
Tarzan - zum Greifen nah
Tarzans Geschichte kennt jeder. Der Affenmann weiß nicht, wo er hingehört. Und findet seine Wurzeln schließlich in der großen Liebe. Doch was dort auf der Musical-Bühne erzählt wird, ist eher Nebensache. Die Technik steht im Mittelpunkt. Und die ist beeindruckend.
Das 39-köpfige Ensemble kümmert sich nicht um die Gesetze der Schwerkraft - und stellt die Musical-Welt schon mit der ersten Szene auf den Kopf. Wir sehen Tarzans Eltern nach dem Schiffsbruch, angespült an einen Sandstrand. Doch die Figuren liegen nicht auf dem Bühnenboden, sie kleben an der Wand. Durch diese Aufsicht eröffnet sich dem Zuschauer eine völlig neue Perspektive. Eine von vielen guten Ideen, die das Musical zu einem echten Spektakel werden lassen.
Wenn Tarzan und die Gorillas abheben, stockt einem der Atem. Zum Greifen nah surren sie an eigens entwickelten Fluggeschirren über die Zuschauer hinweg. Ab und an rieseln dabei kleine Papier-Blätter von der Decke. So ist Dschungel-Feeling in der Neuen Flora garantiert.
Spargel-Tarzan aus der Casting-Show
Die beiden Hauptdarsteller des Musicals wurden in einer Casting-Show ermittelt. Doch Anton Zetterholm und Elisabeth Hübert sind keine Musical-Neulinge. Beide sind erst Anfang 20, haben aber schon reichlich Erfahrung auf der Bühne.
Der blonde Junge aus dem schwedischen Småland ist von der Figur her zwar eher ein Spargel-Tarzan. Trotzdem macht er seine Sache gut. Und auch die in Lübeck geborene Elisabeth ist auf der Bühne eine echte Präsenz. Schade nur, dass die Musik bei Tarzan eher eine Nebenrolle spielt.
Wo waren die Hits?
Ganz klar - wer Musicals mag, wird mit Tarzan einen zauberhaften Abend verbringen. Doch etwas fehlt: der ganz große Hit. Der Ohrwurm, den man auch am nächsten Morgen noch summen möchte. Viele der von Phil Collins komponierten Songs plätschern seicht vor sich hin. Und selbst "You’ll be in my Heart" will einem in seiner deutschen Version ("Dir gehört mein Herz") nicht im Ohr bleiben.
Tarzan - Alle Infos
Wo: >> Theater Neue Flora, Hamburg
Wann: Dienstag bis Sonntag
Preise: 29,90 bis 114,90 Euro