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Nevio sitzt in der Hotellobby, hält mit einer Hand das Handy ans Ohr, mit der anderen reibt er sich die Augen. Die nächsten Termine müssen noch schnell abgesprochen werden. Dann legt er auf, entschuldigt sich höflich. Der Kellner bringt zwei Espressi - und Nevio lobt: "Sehr gut, der richtige Plural!" Er rollt das "r", seine fränkische Heimat lässt grüßen. Kurz überlegt er, sich für das Interview hinzulegen. "Wär doch auch mal nett." Dann bleibt er doch lieber sitzen und erzählt von seinem Treffen mit Eros Ramazotti, dem Essen seiner Mutter und Casting-Shows.
BYM.de: Was glaubst du, warum schwärmen so viele Deutsche für Italien?
Nevio: Vielleicht liegt es daran, dass Italiener aus der deutschen Gesellschaft gar nicht mehr wegzudenken sind. Ich meine ganz klischeehaft: In jedem deutschen Kaff gibt es eine Eisdiele Venezia und eine Pizzeria Roma. Das zeigt, dass die Italiener hier schon seit drei Generationen Fuß gefasst haben. Und viele Deutsche fahren regelmäßig nach Italien in den Urlaub, sie mögen die Landschaft und die Lebensart. Es gibt nur einen Punkt, in dem sich Italien und Deutschland nie verstehen werden, und das ist Fußball. Deutschland hat leider nie gegen Italien in einem bedeutenden Turnier gewonnen.
BYM.de: Und das freut dich.
Nevio: Das freut mich als Italien-Fan sehr. Aber sonst, glaube ich, sind sich die beiden Länder sehr sympathisch. Ich selbst bin ja das Produkt einer deutsch-italienischen Ehe, also ein Beweis für die guten Beziehungen.
BYM.de: Deine Mutter ist Deutsche...
Nevio: und mein Papa ist Italiener, genau.
BYM.de: Kannst du dir erklären, warum so viele deutsche Frauen auf Italiener stehen?
Nevio: Ach, das ist immer so ein Klischee. Vielleicht weil man dem Italiener nachsagt, er sei ein guter Liebhaber. Weil er gut mit Frauen umgehen kann und weil er – anders als ich – immer braun gebrannt ist. Zur mir sagt man auch, meine Musik hätte immer nur mit amore zu tun. Das stimmt gar nicht. Aber es gibt schlimmere Klischees, als mit Liebe assoziiert zu werden.
BYM.de: Wo wir gerade bei Klischees sind: Was magst du lieber, Bier oder Rotwein?
Nevio: Rotwein ist entspannend, etwas für den Feierabend. Zum Feiern, wenn man mal wirklich auf die Kacke hauen will, finde ich Bier auf jeden Fall besser. Da kriegt man auch nicht so einen schweren Kopf. Aber mich darf man eigentlich nicht fragen, ich trinke nur ab und zu Alkohol.
Musik zum Liebemachen
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BYM.de: Bratwurst oder Spaghetti?
Nevio: Meine Mama ist da sehr geschickt. Sie hat nämlich von meiner Nonna in Italien alle Geheimrezepte gelernt. Der erste Gang ist bei ihr meistens italienisch, zum Beispiel ein Nudelgericht. Und als zweiten Gang kocht sie etwas Deutsches. Heraus kommt das Leckerste von beiden Seiten!
BYM.de: Das Video zu deiner ersten Single "Sento" habt ihr in New York gedreht. Soweit ich es verstehe, geht es in dem Lied um Trennungen und Schmerzen. Hast du ein Rezept gegen Liebeskummer?
Nevio: Ja, man nehme drei geschälte Tomaten, ein bisschen Olivenöl des besten Jahrgangs... Nee, Quatsch. Klar geht es in dem Lied um eine Beziehung, aber die muss nicht unbedingt vorbei sein. Es ist eher so, dass man die Beziehung hinterfragt und sich zum Beispiel überlegt, was passieren würde, wenn man die Fähigkeit zu fühlen verlieren würde. "Sentire" ist das italienische Wort für fühlen, aber es bedeutet auch gleichzeitig riechen, schmecken, tasten. Damit spielt der Song. Er ist nicht negativ, sondern nachdenklich.
BYM.de: Da sieht man mal, wie weit her es ist mit meinen Italienisch-Kenntnissen.
Nevio: Das macht gar nicht, ich bin sowieso kein Freund von vorgegebenen Interpretationen. Das Video ist auch mehrdeutig. Wenn jemand meine Musik hört, will ich nicht eindeutig vorschreiben, was derjenige denken oder fühlen soll.
BYM.de: Wo sollte man denn deine Musik hören? Oder bei was?
Nevio (überlegt lange): Beim Liebemachen, das fände ich super.
BYM.de: Stimmt es, dass Eros Ramazotti dein Vorbild ist?
Nevio: Naja, Vorbild... Er ist halt der Musiker, mit dem mich immer alle assoziieren. Wir waren mal zusammen essen, er ist total nett. Aber er macht andere Musik als ich, und er ist älter. Ich habe nicht den Anspruch, in seine Fußstapfen zu treten. Seine Musik ist rein italienisch, ich bin eher als Europäer zu sehen.
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BYM.de: Fändest du es gut, wenn du irgendwann wie Eros Ramazotti das Sinnbild italienischer Musik wärst und in jeder Pizzeria laufen würdest?
Nevio: Damit kann ich vielleicht anfangen, wenn ich 50 bin - aber jetzt noch nicht.
BYM.de: Hast du die letzte Staffel von DSDS geguckt?
Nevio: Ganz ehrlich, die habe ich nicht geguckt, ich hatte keine Zeit. Auch früher, bevor ich in der 3. Staffel dabei war, habe ich das alles nicht verfolgt. Ich war zum Studieren in Italien, dort gab es das gar nicht. Mein Papa hat mich da reingeritten, er hat mich damals angemeldet. Was ich ein bisschen schade finde ist dieser negative Beigeschmack, der Künstlern aus Casting-Shows anhaftet. Ich weiß nicht warum, vielleicht weil einige Musiker aus diesem Format entsprungen sind, die nicht unbedingt für Qualität stehen. Aber das ganze Leben ist doch ein Casting. Wenn man sich für einen neuen Job bewirbt, dann ist das auch nichts anderes.
BYM.de: Du würdest also noch mal bei DSDS mitmachen?
Nevio: Klar. Das Format war für mich eine wichtige Plattform, um mein Talent zu zeigen. Allein schon aus Marketing-Sicht: Welche Plattenfirma ermöglicht es einem Newcomer, in zehn Samstag-Abend-Shows mit Millionen von Zuschauern aufzutreten?
BYM.de: Und warum verschwinden dann trotzdem so viele Ex-Superstars in der Versenkung?
Nevio: Ich will niemandem ans Bein pinkeln und mutmaßen, warum etwas nicht funktioniert. Ich weiß es nicht. Vielleicht werden einige nicht als Künstler wahrgenommen, sondern nur als Produkt. Mein Ansatz war immer, meine Karriere konstant und langfristig anzulegen. Vielleicht glaubt man mir das einfach. Ich möchte mich auch nicht immer dafür rechtfertigen müssen, dass ich bei DSDS mitgemacht habe. Bei Kelly Clarkson oder Leona Lewis zum Beispiel steht USA oder UK auf der CD und der Radioredakteur denkt "Geil, das müssen wir sofort spielen." Ohne zu wissen, dass sie auch einer Casting-Show entsprungen sind. Wir haben einen Komplex, auch mal stolz zu sein auf die Musik, die aus dem eigenen Land kommt. Das finde ich schade.