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Todesursache Selfie Killfies: Warum riskieren wir für Likes unser Leben?

Selfie-Todesfälle
© n Iryna Inshyna / Shutterstock
Die Selfie-Todesfälle häufen sich. Kaum zu glauben, welche Risiken für das vermeintlich perfekte Foto eingegangen werden. Was ist da los?

Stell dir vor, du machst ein Foto von einer Freundin, und plötzlich verschwindet sie von deinem Display: Sie ist in den Abgrund gestürzt. Ihr habt ihren Tod riskiert und verloren – für das beste, das spektakulärste Instagram-Foto der Welt. War es das wert? Natürlich nicht.

Für den Wahnsinns-Post ist kein Risiko zu groß

Bei diesem Szenario handelt es sich streng genommen nicht um ein Selfie, da die Freundin nicht selbst auf den Auslöser gedrückt hat. Doch das angestrebte Ergebnis ist dasselbe: "Me, myself and I" in maximal spektakulärer Umgebung - demnächst auf Facebook oder Instagram zu bewundern.

Es passiert immer wieder: Allein dieses Jahr sind schon drei Urlauberinnen von den Kreidefelsen in der Normandie beim Fotografieren in den Tod gestürzt. Diese Woche starb eine 30-Jährige beim Selfie schießen in Athen, nachdem sie auf einem Felsen nahe der Akropolis das Gleichgewicht verloren hatte. Im August ertrank eine sechsköpfige Familie beim Fotografieren im indischen Ramdaha-Wasserfall.

Als ich durch Vietnam reiste, war ich entsetzt über die Bereitschaft von Tourist:innen, für Likes ihr Leben zu riskierten. Auf Cat Ba Island etwa balancierte ein Amerikaner fürs Foto auf einem Geländer, das einen Abgrund sicherte. Auf einem Tempelberg in Ninh Bình sprang eine junge Frau auf einem schmalen Felsvorsprung so lange in die Luft, bis das Foto saß. Beide haben überlebt.

Nicht überlebt hat die junge Frau, die in den USA frontal mit einem LKW zusammenstieß, Sekunden nachdem sie ein Selfie gepostet hatte, auf dem sie am Steuer ihres Wagens sitzt. By the way, für ihr Selfie hatte sie nicht nur sich, sondern auch andere in Lebensgefahr gebracht – wie übrigens alle Selfie-Fahrer:innen, die Geisterfahrer:innen inzwischen makabre Konkurrenz machen.

"Killfies": Im Netz kursieren Listen von Selfie-Todesfällen

Auf Wikipedia findet sich eine Liste von Todesfällen, die beim Fotografieren passiert sind. Laut einer dort zitierten Studie gab es zwischen 2011 und 2017 259 Selfie-Todesfälle weltweit. Für sich genommen ist die Zahl nicht sehr hoch. Bedenkt man aber die Todesursache - verunglückt für den Insta-Post -, ist sie riesig.

Warum riskieren Menschen für ein spektakuläres Selbstporträt alles? Brauchen wir in unserer auf Selbstoptimierung getrimmten Welt dermaßen viel Bestätigung, dass wir für Likes Leib und Leben riskieren? Dass wir möglichst oft bewundernde und neidische Blicke auf uns ziehen müssen?

Die Erde wird zur Bühne degradiert

Auch das fiel mir auf bei meinen letzten Reisen: Dass die Selbstinszenierung vor eindrucksvoller Kulisse über das Erleben geht. Einige Menschen reisen offenbar nicht, um den Horizont zu erweitern – der dient maximal als Deko für die Inszenierung des idealen Ichs. Man reist nur deshalb zu fotogenen Orten (die ja längst als "Selfie-Spots" vermarktet werden) und steht dort mit dem Smartphone Schlange, um aufsehenerregende Selbstbildnisse herstellen zu können.

Patricias Instagram-Account oneoceanaway_ steht exemplarisch für diese überinszenierte Kunstwelt, in der alle unschönen Realitäten ausgeblendet werden – die Menschenmassen am "einsamen Traumstrand“, die hinter den Bildrand verbannt werden, genauso wie der herumliegende Müll. In dieser Welt ist der Mensch das perfektionierte Zentrum, um das sich alles dreht. Elefanten, Wüsten, Strände, Tempel, Gipfel, Ozeane ... die Welt ist meine Bühne. Und auch, wenn niemand dabei stirbt, ist das irgendwie traurig.

Brigitte

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