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Endstation Schwitzhütte: Wellness in Arizona

Was macht man in Arizona, wenn man nicht den Grand Canyon besucht? Zum Beispiel Wellness. Die BRIGITTE BALANCE-Autorinnen Sina Teigelkötter und Nikola Haaks begaben sich auf den Weg zu Indianern und Esoterik-Freaks.

NIKOLA

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Hinter dem Barkeeper, der mit seinem perfektem Surferbody an mir vorbeischlurft, streckt sich ein riesiger 50er-Jahre-Bau in den Himmel. "Valley Ho" steht drauf, laut Hotelprospekt "one of the hottest spots" in Phoenix. Heiß ist es hier, weiß Gott. Ich schwitze auf meiner hippen Plastikliege (natürlich auch im Retro- Style) und beobachte eine Männergang, die sich samt Cocktails im Pool tummelt. Der ist umrandet von zweistöckigen, kühl designten Apartments.

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Angeblich war hier damals vor lauter Hollywoodstars kein Bein auf den angesagten Boden zu kriegen. Marilyn Monroe und Ingrid Bergmann waren da, Humphrey Bogart auch. Ich will hier nur weg. Zurück in die Prärie zu den wilden Pferden.

SINA

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Wildpferde sind eigentlich überhaupt nicht mein Ding. Tierhaarallergie. Darum war ich skeptisch, als es zu Beginn unserer Reise ausgerechnet ins "Sheraton Wild Horse Pass"-Hotel gehen sollte. Und dann kamen wir auf dem Weg dorthin auch noch an dieser komischen Kulissenstadt vorbei. "Old West, new fun!" stand auf einem Schild mitten im Nichts. Dahinter: ein Saloon, ein paar Holzhütten, eine Bullriding-Arena. Kein Mensch. Fort Fun? Wohl eher eine Geisterstadt. Ich wollte nicht Cowboy spielen. Indianer mochte ich schon immer viel lieber.

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Wir fuhren vorbei - und plötzlich war da diese Weite, die uns an jedem der nächsten Tage vom Aufstehen bis zum Schlafengehen faszinieren würde: diese steppenartige Landschaft, die bis zum Horizont reicht, davor eine sanft geschwungene Bergkette und ein Fluss, der sich wie eine Klapperschlange durch Sträucher und Sand schlängelt. Fehlt nur noch Winnetou auf seinem Rappen Iltschi. Aber Apachen haben hier nichts zu suchen. Das hier ist Pima- und Maricopa-Land. Und weil diese zwei Indianerstämme schon immer mehr an friedlicher Gastfreundschaft als an blutigen Kriegen interessiert waren, haben ihre Nachkommen beschlossen, auf diesem ihrem Reservat eine große Hotelanlage mit Golfplatz und Wellness-Tempel zu eröffnen. Bleichgesichter sind herzlich willkommen. Wir checkten ein.

NIKOLA

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Bald nach unserer Ankunft treffe ich Jeffrey, den Cowboy, mit dem ich zu einem kleinen Ausritt in der Prärie verabredet bin. Im Gegensatz zu Sina schlummert in mir nämlich echtes Cowgirl- Blut; zumindest bestätigt mir Jeffrey das nach nur zehn Minuten. Und der Mann mit der Lederhaut und der Zigarette im Mundwinkel sieht aus, als wüsste er, wovon er spricht ... Am nächsten Vormittag habe ich dann meine erste Indianer-Lektion und sitze der Medizinfrau Belen Stoneman gegenüber. Sie hat lange dunkle Haare, ein herbes, aber freundliches Gesicht und mustert mich intensiv. "Healing", Heilung, heißt die Behandlung - eine "heilende Reise durch Körper und Seele". Touristennepp?

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Ich frage Belen, ob sie sich nicht komisch vorkomme, hier zwischen Sauna und Kosmetikstudio das exotische Original zu geben? Am Anfang, sagt sie, sei sie skeptisch gewesen. Dann aber merkte sie, dass wirklich nur Menschen zu ihr kommen, die es ernst meinen. Belen kann Blockaden erspüren, angestaute Emotionen, Schwachstellen und Kraftquellen finden. Schon im Vorgespräch sagt mir die Indianerin beeindruckende Dinge. Es geht um meinen verstorbenen Vater, um Gefühle, die sich schon lange in mir verhärtet haben. Sie trifft so sehr den Kern, dass mir die Tränen kommen. Dann beginnt Belen mit einer Art indianischer Physiotherapie. Eineinhalb Stunden später trete ich hinaus in die sengende Arizona-Sonne. Wo ist Sina? Und wo soll ich bloß anfangen zu erzählen?

SINA

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Die Droge, die Nikola bekommen hat, will ich auch. Sofort. So einen verstrahlt-strahlenden Menschen im weißen Bademantel habe ich noch nie gesehen. Während Nikola "geheilt" wurde, musste ich im Dampfbad schwitzen, von Kopf bis Fuß mit erniedrigend hellblauem Schlamm bestrichen. Aber meine Stunde wird schon noch kommen.

Unser nächstes Etappenziel ist schließlich Sedona. Ein Ort, an dem Unmengen an spiritueller Energie fließen. Das erzählen sich zumindest die New- Age-Jünger, die Sedona entdeckt und zu ihrem "Kraftzentrum" gemacht haben. Von kosmischen Schwingungen schwärmen sie, mystischen Erlebnissen, übersinnlichen Phänomenen. Fast vier Millionen Menschen pilgern jedes Jahr in die Kleinstadt, um sich energetisch aufzuladen. Da wollen wir nicht fehlen.

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Auf dem Weg gen Norden durchqueren wir auf der Stateroute 89 A gleich mehrere Klimazonen und fahren an gefühlten Tausend Kakteen vorbei. Irgendwann wird es bergiger. Meile für Meile nähern wir uns dem Colorado-Plateau - und erleben das erste Wunder schon auf der Autobahn: Plötzlich sind die Felsen vor uns in ein tiefes Weinrot getaucht - die Farbe unseres kleinen knutschkugelrunden Mietautos! Und da, in einem Talkessel, inmitten dieser wirklich wunderschönen Red Rocks liegt er endlich, der Ort, an dem sich mein Leben ändern soll: Magic Sedona.

NIKOLA

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Es ist nicht ganz einfach mit den ganzen Verrückten hier. Gleich am Ortseingang begrüßt uns der Ufo-Shop, davor parkt ein Auto mit dem man angeblich Außerirdische aufspüren kann. Nee, klar. Direkt daneben steht das Crystal Castle. Quasi ein "Schlecker " für Esoteriker, der aussieht wie aus einem Fantasy-Film und unter anderem die Sedona Psychics beherbergt. Das sind Damen, die Belinda oder Starlight heißen und als persönliche Seelenleserinnen gebucht werden wollen.

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Ich kaufe schnell ein Perlenarmband, das meine aufgewühlten Chakren etwas zurechtrücken soll. Ich werde nämlich schon ganz wuschig hier. Nach einer kurzen Verschnaufpause im Hotel, machen wir uns auf die Suche nach einem "Vortex". Das sind so etwas wie die Energie- Tankstellen Sedonas. Energetische Strudel, die sich hier angeblich alle paar Kilometer im Boden befinden. Wie man einen Vortex findet? Was für eine Anfängerfrage. Man erspürt ihn natürlich! Nun gut, für Greenhorns wie Sina und mich gibt es zumindest in jedem Esoterik-Shop Lagepläne, auf denen der ungefähre Ort eingezeichnet ist.

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Der nächste soll am berühmten Red-Rock-Crossing sein, und so starten wir unsere kleine Wanderung, den roten Felsen fest im Blick. Bei jedem Schritt erwarten wir einen grandiosen Energie-Stromschlag, der unsere schlaffen Körper durchfährt. Leider scheinen Sina und ich vollkommen unempfänglich zu sein. Nicht mal der kleinste Funke springt über. Irgendwer muss diesen verdammten Vortex ausgeschaltet haben.

SINA

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Mein linkes Knie ist verklemmt. Und meine Mutter ist schuld daran. Behauptet Amrita. Seit zehn Minuten knetet sie meine Körperrückseite durch. Durchaus angenehm. Wenn sie dabei nur nicht so stöhnen würde. Das müsse sie aber, sagt sie, damit die negativen Energien aus meinem Körper austreten könnten - ein wichtiger Bestandteil der "New Beginnings"-Behandlung, die ich gebucht habe. "Puh, puh, puh ...", macht Amrita. Ich muss wirklich sehr blockiert sein. "Dein Knie ist so unfl exibel ... Ist deine Mutter ängstlich?", fragt Amrita plötzlich. "Ist das nicht irgendwie jeder von uns?", frage ich zurück. Ich muss noch offener werden für alternative Ansätze. Immerhin habe ich den Rosenquarz, den mir Amrita am Anfang unserer Sitzung geschenkt hat und der mir helfen soll, mitfühlender, weicher und verständnisvoller zu werden, nicht gleich wieder zurückgegeben. Amrita ist Deutsche und hieß früher mal Rita. Bevor sie erleuchtet wurde und ihrem Guru nach Sedona folgte. Am Ende der Stunde gibt sie mir noch spirituelle Hausaufgaben auf. In Zukunft solle ich fester auftreten, um die Energie von "Mutter Erde" besser in mich aufnehmen zu können. "Mother Earth", sagt Amrita. Sie macht noch ein paar Mal "Puh". Ich bin zwar benebelt vom penetranten Geruch des Massageöls, eindeutig aber immer noch die alte Sina. Und die stöhnt gleich auch, wenn sie nicht bald hier rauskommt.

NIKOLA

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Wir verlassen Sedona gänzlich unerleuchtet. Das Hotel allerdings war ein Traum. Wenn wir abends ins Zimmer kamen, schaltete sich der CD-Player an und spielte beruhigende Panflötenmusik der lokalen indianischen Musikgröße Mocking Bird; am nächsten Morgen brachte der Zimmerservice ein sensationelles Müsli vorbei. Ich bin daher zumindest tiefenentspannt nach den zwei Nächten hier. Vielleicht habe ich das aber auch meinem esoterischen Perlenarmband zu verdanken. Egal. Rein in den kleinen Roten und auf zum nächsten Stopp! Wir wollen in den Norden zu den Navajo-Indianern. Mit denen hatte ich zuletzt bei der Lektüre von "Winnetou" zu tun. Jetzt sind wir in Page, einer Kleinstadt nahe des Lake Powell, mit Häuptling Tsosie verabredet - und der Mann hat Großes mit uns vor ...

SINA

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Hat da jemand seinen Karl May nicht richtig gelesen? Winnetou war Apache! Aber stimmt, da war was, mindestens einmal verknallte er sich in eine Navajo-Schönheit. Als ich Navajo-Frau Vere kennenlerne, die uns in Häuptling Tsosies Büro empfängt, verstehe ich, warum: Vere ist zwar nicht mehr die Jüngste, aber sie hat eine unglaubliche Ausstrahlung. Mag unter anderem daran liegen, dass sie sich hier seit Jahren in einem Männerjob durchschlägt und riesige Jeeps durch unwirtliche Wüstenlandschaften steuert. Ihr Chef und Cousin Chief Tsosie, der wie neuerdings viele "Native Americans" in Tourismus macht, hat hier in Page ein fl orierendes Unternehmen aufgebaut, das Ausfl üge anbietet. Kaum haben wir uns vorgestellt, sitzen wir schon neben Vere im Geländewagen, Ziel ist der Antelope Canyon. Der berühmte Felsen aus rotem Sandstein gibt sein Geheimnis erst preis, wenn man ihn durchwandert: bizarre, verzwirbelte Steinformationen, die sich in psychedelische Bilder verwandeln, wenn aus schmalen Spalten in der Decke Tageslicht auf sie fällt. Vere kann zu diesen Lichtgestalten viele Geschichten erzählen, weil sie schon als kleines Mädchen hier im Canyon gespielt hat. Anschließend fährt sie mit uns in das Reservat ihres Stammes. "Seid ihr bereit?", fragt sie. Wir sind vor allem aufgeregt. Denn jetzt geht es in die Navajo-Sauna.

NIKOLA

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Mir ist kalt. In einer Schwitzhütte frieren - das kann auch nur uns passieren. In der kleinen, stockdunklen Hütte aus gefl ochtenen Weidenästen, sitzen wir splitterfasernackt auf dem Lehmboden. Die Steine, die draußen aufgeheizt wurden und nun in einer Ecke aufgestapelt sind, glühen leider nur mäßig. Uns fehlt heute der Schwitzhütten-Meister, der nachlegt und einheizt. Normalerweise übernimmt das ein starker Navajo-Mann. Doch Chief Tsosie hat heute anscheinend anderes vor. Aber gut, eine Schwitzhütte ist ja nicht nur zum Schwitzen da: Das uralte Indianer-Ritual dient auch zum Entspannen, Seelereinigen, In-sich-Gehen. Deswegen fängt Vere leise, aber eindringlich an zu erzählen. Von einer Zeit vor unserer Zeit, als Himmel und Erde entstanden. Von ihren Ahnen. Und schließlich von einem Mann und einer Frau, die füreinander bestimmt sind, aber nie zueinander kommen, weil alte Stammesregeln es verbieten. Diese letzte Geschichte ist Veres eigene. Kurz schweigt sie, dann nimmt sie ihre Flöte und spielt. Ein Lied, das sie selbst komponiert hat. Wunderschön, diese Melodie. Wenn es nur etwas wärmer wäre.

SINA

Meine Wangen sind feucht. Ich könnte jetzt behaupten, ich hätte unerwartet doch noch geschwitzt. Aber ich bin ehrlich: Ich habe geweint. Und das nicht zu knapp. Merkwürdig, so nah am Wasser gebaut bin ich sonst nicht. Diese kleine Frau im Dunkeln singt doch nur. Ihr Lied allerdings kommt direkt aus ihrem Innern. Und geht - so abgeschmackt es klingen mag - ans Herz. Seltsam. In den letzten Tagen habe ich einige Hände an meinen Körper gelassen. Sie haben gepeelt, gecremt, geölt und massiert. Viele Menschen haben mich angefasst. Aber nur Vere hat mich wirklich berührt. Als wir fröstelnd wieder aus der engen Hütte klettern, ist der Himmel über uns tiefschwarz. Nacht im Navajo- Land. Aber wir wollen noch nicht ins Bett. Vere zum Glück auch nicht. In der Sportsbar in Page stoßen wir mit ihr an. Auf die Liebe. Auf Arizona. Und darauf, dass Vere bei unserem nächsten Besuch in der Schwitzhütte die Steine etwas länger vorglühen lässt.

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Reise-Infos: Auf ins Indianerland!

Die Tour: Von Tucson im Süden ging es mit dem Mietwagen über Phoenix und Sedona in den Norden nach Page. Auf der Rückfahrt kann man einen Abstecher zum Grand Canyon machen, dann über die hübsche Studentenstadt Flagstaff zurück nach Phoenix oder Tucson fahren.

Hinkommen, Rumkommen: US-Airlines fliegt am günstigsten nach Arizona, nur nicht direkt. Deshalb von München oder Frankfurt an die Ostküste fliegen und dort umsteigen. Explorer Fernreisen organisiert individuelle Mietwagenreisen durch Arizona (www.explorer.de).

Beste Reisezeit: Optimal ist unser Winterhalbjahr. Im Sommer wird's im Süden sehr heiß, aber dann haben die Resorts dort gute Schnäppchenangebote.

Weitere Arizona-Infos: Kaus Media Services, Luisenstraße 4, 30159 Hannover, Tel. 0511/899 89 00, www.kaus.net

Übernachten + Wellnessen:

Tucson: Loews Ventana Canyon Resort, 7000 N. Resort DR., Tucson, AZ 85715, www.loewshotels.com

Chandler: Sheraton Wild Horse Pass, Chandler, AZ 85226, www.sheraton.com

Sedona: Enchantment Resort, 525 Boynton Canyon Road, Sedona, AZ 86336, www.enchantmentresort.com

Flagstaff: Starlight Pines, Bed and Breakfast, 3380 East Locked Road, Flagstaff, www.starlightpinesbb.com

Phoenix: Valley Ho, 6850 E Main St, Scottsdale, AZ 85251, www.hotelvalleyho.com

Was erleben: Antelope Slot Canyon Tours by Chief Tsosie, 55 S. Lake Powell Blvd., AZ 86040, www.antelopeslotcanyon.com

Fotoshow: Arizona Dreamin'

Text: Sina Teigelkötter und Nikola Haaks Karte: Diana Lukas-Nülle Fotos: Laif, privat BALANCE Heft 05/2009

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