Dafür habe ich mich hier heraufgequält? Es ist lausig kalt, der Wind pfeift, es stinkt zum Himmel, und zu sehen gibt es nichts. Gar nichts. Kein Feuerschein, kein Funkenregen, keine Lavasäulen. 150 Meter von uns entfernt brodelt und spuckt der Krater des fleißigsten Vulkans Europas. Der Berg rumpelt und donnert, als wolle er seinen berühmten Namen brüllen: "Stromboli." Doch seine Stimme erstickt im Nebel: Die Attraktion der Liparischen Inseln versteckt sich hinter einem Wolkenkranz. Wir tappen mit beißendem Schwefelqualm in der Nase durch den Dunst und versuchen, nicht mit anderen Wanderern zu kollidieren.
Stromboli
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Die liparische Inselwelt ist Teil einer Vulkankette zwischen Ätna und Vesuv, hier schiebt sich die afrikanische Erdplatte über die euroasiatische. Natürlich unendlich langsam. Dabei sind in den letzten 350000 Jahren nördlich von Sizilien zwanzig Inseln aus dem Meer aufgetaucht, sieben davon sind besiedelt: Lipari, Salina, Panarea, Alicudi, Filicudi, Vulcano und Stromboli. Jahr für Jahr schleppen sich rund 40000 Menschen drei beschwerliche Stunden lang auf den unermüdlichen Vulkan.
"Wahnsinn", poltern Naturschützer, und tatsächlich ist der Zirkus um den Berg ein Stück absurdes Theater. In der trüben, kalten Suppe in 918 Metern Höhe sitzt ein Mann in Badehose, die Augen geschlossen, tief atmend, als nehme er ein heilendes Dampfbad. Ein paar junge Italiener aus Florenz mit Skiern im Gepäck stolpern durch die finsteren Schwaden: Sie sind übers Wochenende angereist, für eine Abfahrt auf der Vulkanasche. Wir frieren, warten vergeblich auf klare Sicht und stapfen beleidigt ins Tal.
Liebe zum trägen Inselleben
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Die meisten Touristen ziehen anderntags weiter, wir haben uns von Signore Famularo belehren lassen. Er ist 92 Jahre alt und weiß: Es lohnt sich zu bleiben. Schließlich hat er sein Glück versucht in der großen weiten Welt. Drei Jahre hat er in der Fremde durchgehalten, dann trieb ihn das Heimweh zurück auf seine knapp 13 Quadratkilometer große Insel, wo sich die weißen Häuser zweier winziger Ortschaften an den finsteren Berg klammern.
Auf den Liparischen Inseln gibt es keinen Massenbetrieb. Jenseits des Vulkantourismus trödelt träges Inselleben. In den Hafenkneipen dreschen ruppige Kerle Karten, die Dorfjugend lässt die Motorroller heulen, und Sonntagabend gehen alle Pizza essen. Spucken aber die Schnellboote im Stundentakt Besucher aus, wogt eine Welle der Betriebsamkeit durch Stromboli. Bergtouren und Bootsfahrten werden angepriesen.
Denken in anderen Dimensionen
Auf der anderen Seite des Berges, in Ginostra, ist die Welt noch weiter weg. Dreißig Einwohner transportieren alles, was sie zum Leben brauchen, mit Maultieren zu ihren Häusern. Besucher, die per Schiff kommen, müssen auf offenem Meer in den Gemeindekutter umsteigen. Ginostras Hafen ist zu klein für die "Aliscafi", die lärmenden Tragflügelboote.
Lipari
Kein Wunder also, dass die Insulaner die größte Gemeinde ihrer glücklichen gottvergessenen Welt ehrfürchtig als "Stadt" bezeichnen. Lipari-Stadt auf dem gleichnamigen Eiland ist das kulturelle, politische und ökonomische Zentrum des Archipels und mit 5000 Einwohnern nicht wirklich metropolenverdächtig. Dafür herzerfrischend süditalienisch: laut, ein wenig angeberisch und trotzdem charmant. Lipari-Stadt hat einen Berg mit Burg, fünf Kirchen und ein archäologisches Museum, das zu den bedeutendsten ganz Italiens gehört.
Ein anderes Abenteuer ist es, auf Lipari ein Auto zu mieten. Wir wollten das Hinterland der größten Insel sehen, die verschlafenen Dörfer, die weißen Berge des Bimssteinbruchs, die alten Thermen der Heißwasserquelle bei San Calogero hinter einem Bauzaun - die Renovierung des Bades zieht sich seit Jahrzehnten. Es gab exakt ein Auto zu mieten auf Lipari: Es hatte kaum noch Luft in den Reifen und war nicht abzuschließen. Als wir protestierten, borgte uns der Vermieter kurzerhand seinen eigenen Wagen. Ohnehin ist man auf den meisten Inseln am besten zu Fuß unterwegs oder braust, einheimischen Gepflogenheiten folgend, halsbrecherisch per Motorroller über enge Berg- und Talstraßen.
Panarea
Nur auf der kleinsten Insel der so unterschiedlich geratenen Vulkanschwestern gibt es eine vornehmere Art der Fortbewegung: Man lässt sich fahren, vom Hafen zum Strand. Panarea ist die Luxusperle der Liparen. Die Häuser gehören reichen Norditalienern oder artverwandter Prominenz wie etwa Robert de Niro. Panarea ist ein optisches Vergnügen. Wir Tagesausflügler lugen über Mauern, freuen uns an gepflegten Gärten und stolzen Yachten, die in der Badebucht vor Anker liegen, und dürfen uns in dieser Umgebung beglückwünschen, noch nicht auf Vulcano gewesen zu sein.
Vulcano
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Denn wer auf Vulcano war, der stinkt. Wie Hölle, Pest und Schwefel. Der zweite tätige Vulkan der Liparischen Inseln inszeniert keine ästhetischen Light-Shows, er schwitzt den fiesen Geruch von Mutter Erde aus. Vulkanforscher halten dies für wesentlich bedrohlicher als Strombolis regelmäßigen Feuerzauber.
Salina
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Die Nachbarinsel Salina dagegen wirkt wie ein liebliches Paradies, üppig und blühend. So sieht die Sache also aus, wenn über feuerspeiende Berge Gras wächst. Oder besser Farn: Auf Monte Fossa, mit 962 Metern die höchste Erhebung der Inseln, wuchert das Grün in fetten Feldern. Auf der gesamten Insel wächst alles im Übermaß, was der Rest des Archipels sonst nur spärlich zu bieten hat: Ginster, Geranien, Bougainvillea, Hibiskus, Oleander. Hier ist man für die Spezialitäten der Inseln zuständig: Malvasiawein und Kapern. Der berühmten Knospe wird alljährlich im Juni mit einem Erntefest gehuldigt.
Reise-Infos Liparische Inseln
Telefon: Vorwahl für Italien: Vorwahl nach Italien 0039, dann bei der Ortsvorwahl die 0 mitwählen.
Anreise
Flug nach Neapel. Weiter per Fähre. Schneller und teurer sind die von Anfang Juni bis Ende September verkehrenden Tragflächenboote. Günstiger kommt man über Sizilien zu den Liparen. Flug nach Catania, Bustransfer zum Hafen von Milazzo, mit dem Schnellboot auf die Inseln. Saison von April bis Ende Oktober. Achtung: Im Juli und August ist alles frühzeitig ausgebucht, und viele Hotels vermieten nur Zimmer mit HP (ansonsten alle Preise pro DZ inkl. Frühstück).
Sieben Inseln
Zwei Namen: Auf italienischen Landkarten heißt es "Isole Eolie o Lipari". Damit halten sich die Kartografen raus aus dem Streit, ob der Archipel seinen Namen dem ausonischen König Liparos verdankt oder dem Windgott Äolus. Die Insulaner halten es so: Wer auf Lipari wohnt, sagt "Liparische Inseln", alle anderen sagen "Äolische Inseln".
Salina
Die grünste Insel. Idyllische Dörfchen, romantische Ausblick und in Pollara der schönste Strand der Inselgruppe. Wanderparadiese in den Bergen. Auf Salina wurde "Il Postino" gedreht, ein anrührender Film mit Philippe Noiret.
Hotel Punta Scario: hübsches Haus mit sagenhaftem Blick aufs Meer, von manchen Zimmern sogar auf den Stromboli (Via Scalo 8, 98050 Malfa, Tel. 090/984 41 39, Fax 984 40 77; Juli bis September nur Halbpension). Hotel Bellavista: modern, komfortabel, in der Nähe des Hafens, im lebendigen Dörfchen Santa Marina; die Hausherrin ist Deutsche (Via Risorgimento, 98050 S. Marina Salina, Tel./ Fax 090/984 30 09). Hotel L'Ariana: hochherrschaftliche Villa der Jahrhundertwende mit der schönsten Terrasse der Insel. Im Inneren etwas düster und renovierungsbedürftig, dafür genießt man im abgeschiedenen Dörfchen Rinella völlige Ruhe (Via Rotabile 11, 98050 Rinella di Leni, Tel. 090/980 90 75, www.hotelariana.it. Nni Lausta: charmante Restaurant-Bar in kleiner Einkaufsstraße, Pasta-, Fleisch- und Fischgerichte (Via Risorgimento 188, S. Marina Salina, Tel. 090/984 34 86). Ristorante Portobello: gutes einfaches Fischlokal mit Blick übers Meer (Am Hafen von Santa Marina Salina, Tel. 090/984 31 25). Mamma Santina: etwas im Gassengewirr versteckte Herberge mit kleiner Terrasse und Hausmannskost vom Feinsten (Via Sanità 40, S. Marina Salina, Tel. 090/984 30 54, Fax 984 30 51, www.mammasantina.it).
Stromboli
Der Vulkan tobt Tag und Nacht, doch Stromboli hat noch mehr zu bieten: winzige Buchten mit feinem schwarzem Lavasand, Bootsausflüge ins Minidorf Ginostra und zum bizarren Leuchtturmfelsen Strombolicchio. Albergo Ossidiana: schlichte Unterkunft direkt am Hafen (Via Regina Elena, 98050 Stromboli, Tel. 090/98 60 06, Fax 98 62 50, ;). Der Besitzer, ein Ex-Pilot aus der Schweiz und Vulkanforscher aus Passion, bietet auch komplett organisierte Insel-Trips an, z. B. eine Woche Stromboli inkl. Schiffsreise ab Neapel, Unterkunft, Frühstück und Vulkanexkursion (Volcavento, Tel. 090/98 63 83, Fax 98 63 84, volcavento@stromboli.net). Hotel Villagio: hübsch, verwinkelt, direkt am Meer. Die Zimmereinrichtung ist zwar schlicht, dafür gibt es einen Privatstrand (Via Regina Elena, 98050 Stromboli, Tel. 090/98 60 18, 98 61 61, Fax 98 62 58). La Locanda del Barbablu: kleine feine Herberge mitten im Ort. Antiquitäten in den Zimmern, Terrassen mit Blick auf den rauchenden Berg (Via V. Emanuele 17/19, 98050 Stromboli, Tel. 090/98 61 18, Fax 98 63 23). La Lampara: Riesengroße, knusprige Pizzen werden von schönen jungen Männern im Steinofen auf der Terrasse gebacken; beliebte Essensstation für italienische Großfamilien (Via Vittorio Emanuele, Stromboli, Tel. 090/98 64 09). Trattoria ai Gezi: Der Chef kocht Pasta und Fischspezialitäten. Nicht ganz billig doch der kleine Marsch durch steile Gassen wird zusätzlich mit wunderbarem Meerblick belohnt (Via Vico Salina, Stromboli, Tel. 090/98 62 13). Il Malandrino: einfaches Hafenlokal mit ordentlichen Pizzen und Unterhaltungsfaktor, weil man dem Trubel um die anlegenden Schiffe zusehen kann (Via Marina, Stromboli, Tel. 090/98 63 76).
Panarea
Die kleinste der bewohnten Inseln gleicht in manchen Dorfstraßen einer festungsartigen Nobelgegend. Außerhalb der Hochsaison ist vom schicken Auftrieb wenig zu spüren. Hotel Lisca Bianca: Die direkt am Hafen liegende Bar mit den vielen Terrassen ist berühmt für ihre süßen Hörnchen (Via Lani, Panarea, Tel. 090/98 30-04, Fax 98 32 91, www.liscabianca.it. Affittacamere Trattoria La Sirena: kleine freundliche Pension in Strandnähe mit vorzüglicher Küche (Via Drauth, 4, Panarea, Tel./Fax 090/98 30 12). Ristorante da Pina: Das beste Essen der Insel beschließt man mit einem hausgemachten Likör (Via San Pietro, 98050 Panarea, Tel. 090/98 30 32, Fax 98 31 47).
Lipari
Im Hauptort des Archipels ist es mit der liparischen Inselträgheit vorbei: Hier tobt das Leben, vor allem abends, wenn Oma und Opa, Eltern und Kinder, Teenager und Halbstarke über den Corso Vittorio Emanuele flanieren. Jenseits der einzigen richtigen Stadt der Liparen gibt es einsame Badebuchten und Wanderwege. Albergo Penzione Neri: schöne alte Villa in einer Seitenstraße des Corso, freundlicher Service, große Frühstücksterrasse (Via Marconi, 43, 98055 Lipari, Tel. 090/981 14 13, Fax 981 36 42). Hotel Oriente: Die Eingangshalle ist ein Kuriositätenkabinett, der Hinterhofgarten eine Oase im städtischen Treiben (Via G. Marconi, 35, Lipari, Tel. 090/981 14 93, Fax 988 01 98). Hotel Carasco: große Hotelanlage mit verwegen geschwungener Pool-Terrasse hoch überm Meer. Im Inneren gediegene Düsternis, aber das Besitzer-Paar macht das mit ausgesuchter Freundlichkeit wett (Porto delle Genti, 98055 Lipari, Tel. 090/981 16 05, Fax 981 18 28, www.carasco.it; Albergo Casajanca: Um einen idyllischen Hinterhof schachtelt sich das kleine feine Hotel im Badeort Canneto (Marina Garibaldi 115, Canneto,Tel. 090/988 02 22, Fax 981 30 03). Residence Mendolita: schlichte Ferienapartments in einer neu erbauten Reihenhausanlage. Wer Halbpension bucht, bekommt Essensgutscheine für das Filippino, das berühmteste Lokal der Stadt (Via G. Rizzo, 98055 Lipari, Tel. 090/981 23 74, Fax 981 28 78). Ristorante Filippino: sehr gutes Traditionslokal auf dem Stadtberg; (Piazza Municipio, Lipari, Tel. 090/981 10 02, Fax 981 28 78). Al Pescatore: preiswert durch Selbstbedienung, deshalb wird man hier schon für satt und findet trotzdem Spezialitäten wie Schwertfischcarpaccio (Marina Corta, Lipari, Tel. 090/981 15 37). Trattoria d'Oro: Einheimische schwören auf das einfache Pasta- und Fischlokal mittlerweile müssen sie sich die wenigen Plätze auch mit Touristengruppen teilen (Via Umberto I, 28/ 32, Lipari, Tel. 090/9811304, Fax 981 25 91). Kasbah Cafe: Die Einrichtung ist marrokanisch, die Größe der Pizzen uritalienisch und der Hinterhofgarten am Abend sehr romantisch (Via Maurolico, 25, Lipari, Tel. 090/981 10 75). Ristorante La Nassa: Feinschmeckeradresse (Menü ab 50 DM) abseits vom Trubel (Via G. Franza, 36, Lipari, Tel. 090/ 981 13 19, Fax 981 22 57, www.lanassa.it). La Piazetta di Nino Subba: die berühmteste Pizzeria der Inseln. Das Lokal ist mit Autogrammkarten tapeziert, Sitzplätze im Freien sind heiß umkämpft (Piazza Monfalcone, 98055 Lipari, Tel. 090/981 25 22, Fax 090/981 25 11).
Vulcano
Schlammkuren im Vulkandunst, ein Bad im erwärmten Meer - die Insel lässt sich gut in einer Tagestour erkunden. Hotels gibt es nur im Hafenort Porto di Levante und der Strandsiedlung Porto di Ponente. Das Hinterland ist eine kleine Motorrollerreise wert. Ristorante Bar Tony Maniaci: frischer Fisch, schlicht und einfach, am Strand gelegen (Vulcano Gelso, Tel. 0337/95 31 76 oder 090/985 23 95).
Filicudi
Filicudi bietet wenig Strand, kaum Hotels und jede Menge Ruhe. Die meisten Besucher bleiben nur einen Tag und besuchen mit Ausflugsbooten die zahlreichen Grotten und Höhlen der Steilküsten.
Alicudi
Ein runder Bergkegel, an den sich eine Handvoll Häuser schmiegt, hundert Einwohner, ein paar Maulesel und eine einsame Kneipe, die mutigen Touristen Zimmer vermietet.
Buchtipps
Mit launigen Texten und etwas magerem Service: "Liparische Inseln", DuMont. Informativ, zuverlässig, aber staubtrocken: "Liparische Inseln", Michael Müller Verlag.
Info
Centro Servizi al Turismo, Via Maurolico, 98055 Lipari, Tel. 090/981 35 42, Fax 9813546; www.isoleturismo.it