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1998 bis 1994: Wie ich seine Geliebte wurde

Silvio wird Präsident und kauft mir eine Kaufhauskette. Außerdem habe ich eine ganze Menge im Garten zu tun... - ein Einblick in die geheimen Tagebücher der Frau Berlusconi.

1. August 1998

Heute zwölf Stunden draußen geackert. 40 Hektar Garten sind ganz schön viel, es ist eben auch nicht immer leicht, Milliardärin zu sein. Musste Unkraut rupfen, stand im Mondkalender: Manchmal habe ich auf diesen ganzen biodynamischen Anthroposophen-Mist echt keine Lust mehr. Habe Silvio vor einigen Monaten gefragt, ob ich nicht einfach auf normalen ökologischen Gartenbau umsteigen soll. Silvio total ausgeflippt: "Es gibt keine normalen Ökos! Auf meinem Grund und Boden wird kein grünes Gedankengut wuchern, so wahr ich der König von Italien bin!"

Okay, dann eben weiter biodynamisch. Silvio hat übrigens keine Ahnung, was das ist: "Hauptsache dynamisch!" hat er gesagt, als ich es ihm mal erklären wollte. Der geht mir echt ziemlich auf den Keks inzwischen. Na, unsere Visconti-Villa ist ja zum Glück groß genug, um sich aus dem Weg zu gehen, Silvio ist ja auch nur sehr selten da und kümmert sich um nichts. Da fällt mir ein, dass die Kinder morgen mal wieder Klavier üben müssen. Hoffentlich finde ich den Flügel, habe gerade mal wieder vergessen, in welchem Zimmer der steht.

30. Juni 1994

Silvio mordsmäßig schlecht gelaunt. Der staatliche Fernsehsender RAI hat einen uralten Erotik-Film gesendet, in dem ich eine Hauptrolle gespielt habe. Und in den Archiven liegen noch mehr Nacktfilme mit mir. Silvio sagt, diesen "schmutzigen kleinen Film" hätten die Scheiß-Linken bei RAI nur ausgestrahlt, um ihn zu erpressen, weil er ihnen den Geldhahn zudrehen will.

Schatz, was ist daran schlimm, links zu sein?

Ich habe gesagt: "Schatz, was ist daran schlimm, links zu sein? Die wähle ich doch auch immer! Und auf deinen Privatsendern sieht man ständig nackte Frauen!" Aber er hat gesagt, er will nicht mir über Politik diskutieren: "Das sind nicht die Antworten, die ich bei dir suche." Und dann habe ich gesagt: "Aber über irgendetwas müssen wir doch reden!" Und da hat Silvio gesagt: "Nö, warum? Wenn ich reden will, rufe ich bei einer meiner Zeitungs- oder Fernsehredaktionen an und mache einen Interviewtermin." Manchmal denke ich, wir passen gar nicht zusammen.

Zum Glück haben meine Kinder den Film mit mir nicht gesehen. Ich ahnte ja schon immer, dass diese ollen Kamellen irgendwann hoch kommen. Darum habe ich sie lieber gleich in eine Rudolf-Steiner-Schule geschickt, da wird den Kindern erzählt, dass Fernsehen eine noch größere Sünde ist als nackt oder links zu sein. Stattdessen spiele ich mit ihnen - am liebsten Marionette, das kann ich wirklich gut. Silvio sagt auch immer: "Kinder, dabei kann man viel für's Leben lernen: Strampeln lassen und Fäden ziehen."

28. März 1994

Gestern Abend kam Silvio nach Hause, sehr spät, wie immer, und hat gesagt: "Bella, halt mich, äh ... dich fest: Ich werde Ministerpräsident, jetzt gehört mir ganz Italien!" Wollte wissen, wie viel er für diesen Spaß nun wieder bezahlt hat, war aber nicht aus ihm heraus zu bekommen. Plötzlich musste ich wieder daran denken, wie beeindruckend ich seine Großzügigkeit am Anfang fand.

War halt jung und dumm, als wir uns verliebten. Ich: 24, Schauspielerin. Silvio: 44, Bauunternehmer. Er hat mich das erste Mal im Teatro Manzoni in Mailand gesehen, in der Komödie "Der wundervolle Hahnrei". Ich trat oben ohne auf, aber Silvio hat das gar nicht gestört. Was nackte Frauen angeht, ist er sehr tolerant. Nach dem Stück ist er in meine Garderobe gekommen und hat gesagt: "Bella, ich bin ein verheirateter, gläubiger Katholik, und deine Brüste muss der Satan erfunden haben. Aber ich bete sie, äh ... mich, äh ... dich trotzdem an. Wusstest du, dass mir dieses Theater gehört? Also gehörst du mir auch." So wurde ich seine Geliebte.

Rosenkrieg: Berlusconi und die Frauen

Später habe ich erwähnt, ich bräuchte mal eine neue Kette - da hat er dann die Kaufhaus-Kette übernommen, für die meine Mutter früher als Verkäuferin arbeitete. Und jetzt bin ich auch noch Italiens First Lady. Hat sich doch gelohnt, dass ich die zehn Jahre bis zu seiner Scheidung gewartet habe, um ihn heiraten zu können. Habe mir die Zeit bis dahin mit Kinderkriegen vertrieben - drei insgesamt, eines mehr, als seine erste Frau. Unsere älteste Tochter musste ich in der Schweiz zur Welt bringen, damit keiner was merkt.

Text: Julia Karnick

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