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Eva, die Protagonistin in Anna Blumbachs Roman Kurze Nächte, hier geht's zur Leseprobe, kämpft als arbeitslose, alleinerziehende Mutter eines 8-jährigen Sohnes mit der Frustration des Alltags. Sie hat zu wenig Geld, leidet unter Hartz-IV-Auflagen und hadert mit ihren Ansprüchen an sich selbst. Sie ist eine pflichtbewusste liebende Mutter, doch wenn ihr Sohn bei seinem Vater ist, kann sie den sexuellen Versuchungen des Berliner Nachtlebens nicht widerstehen. Anna Blumbach, 39, die ihrer Romanheldin zahlreiche autobiografische Züge verlieh, arbeitete als Designerin und freie Autorin in Berlin, wo sie ihre Vorliebe für erotische Texte entwickelte. Heute lebt sie mit ihrem 8-jährigen Sohn und ihrem Hund "Hund" in Brandenburg.
BRIGITTE.de: Die Protagonistin in ihrem Buch ist allein erziehende Mutter eines Sohnes und hungrig nach sexuellen Abenteuern. Bei vielen Paaren läuft nach der Geburt eines Kindes erstmal nicht mehr viel im Bett. Wie war das bei Ihnen?
Anna Blumbach: Definitiv genauso. Einerseits war ich völlig auf mein Kind konzentriert, andererseits war mein Partner ganz schön geschockt von der Geburt, bei der er dabei war. Ich glaube, das ist für viele Männer ein Problem. Sie merken plötzlich, dass ihre Frau kein Sexobjekt mehr ist, sondern dass sie da etwas durchleidet, vor dem man Respekt haben muss. Sie haben Mitleid mit ihr und wollen sie schonen. Viele meiner männlichen Freunde wollen nie wieder bei einer Geburt dabei sein, weil es sie sexuell so abgeturnt hat.
BRIGITTE.de: Wie hat sich das Verhältnis zu Ihrem Körper nach der Geburt geändert?
Anna Blumbach: Ich habe während der Schwangerschaft fast die Hälfte meines Körpergewichts zugenommen, es hat eineinhalb Jahre gedauert, bis ich wieder mein Normalgewicht hatte. Das fand ich natürlich nicht schön. Positiv daran war, dass ich viel gnädiger mit mir selbst wurde. Ich hatte ein Kind geboren! Mir war klar, dass mein Körper danach nicht genauso frisch und knackig sein konnte wie vorher. Und ich habe entdeckt, dass Sex mit jemandem, bei dem man sich wohl fühlt, immer toll ist, egal wie man aussieht.
BRIGITTE.de: Inwiefern wird man als Mutter als asexuelles Wesen wahrgenommen?
Anna Blumbach: Ein junger Mann sagte über mein Buch "Das Skandalöse daran ist, dass eine Mutter Sex hat". Anhand solcher Reaktionen merke ich ganz deutlich, wie sehr die Vorstellung, dass eine junge Mutter Sex mit mehreren Männern hat, noch immer Empörung auslöst. Aber ich frage mich warum eine Mutter keinen Sex haben sollte. Wie ist sie denn sonst zu ihrem Kind gekommen? Auch nach der Geburt gehört Sexualität zu einem gesunden Leben. Wer das ausblendet, nimmt keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Frauen.
BRIGITTE.de: Wann kam bei Ihnen die Lust auf Sex zurück?
Anna Blumbach: Erst nach ungefähr vier Jahren. Als ich merkte, dass das Kind von Tag zu Tag selbständiger wurde, habe ich wieder mehr zu mir selbst gefunden. Ich fühlte mich besser, wenn ich mich morgens schon schick machte. Als ich dann merkte, dass ich als Frau wieder Männerblicke auf mich zog und nicht mehr nur als Mutter wahrgenommen wurde, erwachte auch meine Lust auf Sex wieder. Als allein erziehende Mutter muss man sich einfach in die Gefahr stürzen und sich auf Abenteuer einlassen. Dann merkt man, dass man für Männer immer noch attraktiv ist und bekommt Lust, sich auf einen anderen Menschen einzulassen. Wichtig ist nur, dass man mit sich selbst im Reinen ist.
BRIGITTE.de: Eva tingelt als allein erziehende Mutter und Hartz IV-Empfängerin nächtelang durch Clubs und hat Sex mit mehreren Männern. Warum wird in den Köpfen der Leute eine solche Frau sofort in die Schmuddelecke gedrängt?
Anna Blumbach: Es ist doch so: Eine gute Mutter vögelt nicht herum. Das passt nicht, das macht man einfach nicht. Vätern hingegen wird ihr Recht auf Sex automatisch zugestanden. Nur die Frauen sind dazu verdonnert, Mütter zu sein und deshalb immer für ihr Kind da zu sein. Das ist auch richtig, und ich mache das gerne, aber deshalb lasse ich mir nicht meine Sexualität absprechen.
Man kann eine gute Mutter sein, obwohl man mit mehreren Männern Sex hat
BRIGITTE.de: Hatten Sie je ein schlechtes Gewissen, weil Sie als allein erziehende Mutter abends ausgingen und sexuelle Abenteuer suchten?
Anna Blumbach: Nein, ich hatte auch nie das Gefühl ein Doppelleben zu führen. Ich versuche einfach, den Kontakt zu dem Leben zu halten, das ich vor dem Kind hatte. Es wäre ja auch verlogen dem Kind gegenüber, wenn ich jetzt ein völlig anderer Mensch werden würde.
BRIGITTE.de: Macht ein erfülltes Sexleben Frauen zu besseren Müttern?
Anna Blumbach: Ich habe erkannt, dass es meinem Kind nur gut geht, wenn es mir gut geht. Aber ich propagiere nicht, dass alle Mütter losziehen sollen um wilden Sex zu haben. Ich möchte deutlich machen, dass Sex ein natürliches Bedürfnis ist, und dass man auch eine gute Mutter sein kann, obwohl man mit mehreren Männern Sex hat. Aber als Frau wird es einem wirklich schwer gemacht, weil man so viele Erwartungen erfüllen soll: die der Gesellschaft, die des Kindes, die des Arbeitgebers. Um all diese Erwartungen zu ignorieren und sein eigenes Ding durchzuziehen braucht man sehr viel Selbstbewusstsein.
BRIGITTE.de: Wie schwer ist es Ihnen gefallen, dieses Selbstbewusstsein zu entwickeln?
Anna Blumbach: Ich war immer schon sehr selbstbewusst, mich hat das nicht viel Überwindung gekostet. Ich bin schon als junges Mädchen gerne alleine auf Partys gegangen.
BRIGITTE.de: Wie viel bekommt Ihr Sohn von ihrem Sexleben mit?
Anna Blumbach: Gar nichts. Der wäre wahrscheinlich total geschockt, wenn er mich jemanden küssen sehen würde. Ich habe nie eine meiner Männerbekanntschaften mit nach Hause genommen, ich bin immer mit zu ihnen gegangen. Für mich sind Sex und Muttersein zwei separate Bereiche in meinem Leben, die ich nicht vermischen möchte. Das macht Eva im Buch auch nicht. Sie lässt sich nur auf Männer ein, wenn ihr Sohn bei seinem Vater ist. Genauso mache ich das auch.
BRIGITTE.de: Kann man einfach umschalten, von der Mutter zur Sexgöttin?
Anna Blumbach: Ich bin oft hin und her gerissen, aber mein Kind steht immer an erster Stelle. Wenn ich mit meinem Sohn auf den Spielplatz gehe und da ist ein attraktiver allein erziehender Vater, fällt es mir unglaublich schwer mit ihm zu flirten, einfach weil die Kinder dabei sind. Man tauscht dann vielleicht Blicke aus und unterhält sich ein bisschen, aber das ist nie so erotisch aufgeladen, als wenn ich alleine unterwegs bin
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BRIGITTE.de: Nehmen Männer Sie als allein erziehende Mutter anders wahr?
Anna Blumbach: Das kommt darauf an, was man voneinander will. Wenn es nur um Sex geht, ist es den Männern egal ob ich Mutter bin. Wenn es ihnen ernst ist, und sie darüber nachdenken, eine eigene Familie zu gründen, dann schreckt es sie manchmal ab, dass ich schon einen Sohn habe.
BRIGITTE.de: Welche Bedeutung hat Sex für Sie?
Anna Blumbach: Es ist einfach ein wunderschönes Gefühl. Und es kann ein Ventil für all den Druck sein, der auf einer allein erziehenden Mutter lastet. Sex ist außerdem ein hervorragendes Mittel um Aggressionen abzubauen.
"Kurze Nächte": Hier geht's zur Leseprobe.
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Kurze Nächte Anna Blumbach 256 Seiten ANAIS Band 7 Verlag: Schwarzkopf Preis: 9,90 EUR ISBN 978-3-89602-555-5