Manipulation ist ein typisches Verhaltensmuster von narzisstischen Menschen – heißt es oft. Doch in Wahrheit manipulieren auch sehr viele Menschen, bei denen keine narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliegt, um ihre Interessen durchzusetzen: Die große Schwester, die Tantchen erzählt, wie gerne die Kleinen sie mal wieder sehen würden, und sich damit – schwupps – die gratis Babysitterin organisiert. Der Vorgesetzte, der in jedem Meeting die schlecht laufenden Geschäfte erwähnt, damit ja niemand im Personalgespräch auf die Idee kommt, nach einer Gehaltserhöhung zu fragen. Oder die Bekannte, die beim Essen lang und breit erklärt, wie knapp sie gerade bei Kasse ist, um ein weiteres Mal eingeladen zu werden zu Vino und Pasta.
Sicherlich ist so etwas nicht schön, doch ein Drama ist es auch nicht unbedingt – zumal wir spätestens im Rückblick meistens erkennen, was passiert ist, und uns dadurch vielleicht schon beim nächsten Manipulationsversuch nicht mehr ganz so leicht lenken lassen. Schlimmer wird's, wenn eine Manipulation in emotionale Erpressung ausartet: Wenn zum Beispiel der Partner androht, sich etwas anzutun, sobald man ihn verlassen will. Oder wenn sich eine Manipulation so subtil abspielt, dass wir sie gar nicht als solche erkennen. In dem Fall sprechen einige Expert:innen von "Mikromanipulation".
"Mikromanipulationen zielen darauf ab, die Sympathie und Empathie des Partners zu wecken und die selbstempfundene Opferrolle auszuspielen", schreibt etwa die Autorin Kristy Lee Hochenberger in "Psychology Today". Dabei geht es den Betreffenden – bewusst oder unbewusst – darum, Kontrolle über andere und insbesondere deren Gefühle und Gedanken zu erlangen. Was genau Mikromanipulationen ausmacht und wie du sie erkennen kannst, verraten wir jetzt.
An diesen Warnsignalen erkennst du Mikromanipulationen
1. Kurze, beiläufige Kommentare mit heftigem Nachklang
Im Gegensatz zu den genannten Beispielen wie Babysitten oder der "Wer zahlt die Rechnung"-Frage wird das Kernthema bei einer Mikromanipulation nie wirklich thematisiert. Würde deine Schwester etwa immer wieder beiläufig in irgendwelchen Nebensätzen fallen lassen, wie toll die Schwester ihrer Freundin diese immer mit den Kindern unterstützt, könnte das eine Mikromanipulation sein. Eure Beziehung und deine Rolle als Tante war nie Gesprächsthema, trotzdem bekommst du ein schlechtes Gewissen, weil du nicht öfter die Babysitterin spielst.
2. Inhaltlose Aktionen, die Aufmerksamkeit erregen
Eine Variante der Mikromanipulation besteht darin, einfach nur deine Aufmerksamkeit zu erregen und dich neugierig zu machen – etwa mit einer Nachricht, die sofort wieder gelöscht wird, einem Anruf, der sofort beendet wird, oder einer scheinbar zufälligen Begegnung in deiner Nachbarschaft, für die es keine Erklärung gibt. In all diesen Fällen fühlst du dich gezwungen nachzufragen, was denn war oder warum die betreffende Person in deiner Gegend ist, und gibst ihr damit das, was sie will: Beachtung.
3. Keine andere Wahl, als Mitleid zu empfinden
Oft hinterlassen Mikromanipulationen bei der Person, die manipuliert wird, ein Gefühl von Mitleid mit dem manipulierenden Menschen. Und zwar die Art von Mitleid, bei der man gleichzeitig denkt: "Wow, und er erträgt es so tapfer!". Wer mikromanipuliert, stellt sich selbst als Opfer dar, ohne großartig zu klagen oder offen über das eigene Leid zu kommunizieren. So in der Art: "Ich werde aus meiner Wohnung geworfen, aber wie geht's dir denn? Du siehst ja total überarbeitet aus?"

4. Schwere Brocken in leichter Konversation
Typisch für Mikromanipulationen ist, dass sie in alltägliche, leichte Konversationen eingestreut werden. Wenn du nicht damit rechnest, fällt plötzlich so was wie "Ich muss noch zum Onkologen, bevor ich die Kinder abhole" – und du bist erst mal sprachlos, bevor du natürlich genauestens nachfragst und dich erkundigst, was los ist.
5. Wer mikromanipuliert, will ins Zentrum
Das eindeutigste Merkmal, dass du mit jemandem verkehrst, der dich mikromanipuliert, ist, dass diese Person aus welchem Grund auch immer stets im Zentrum deiner Aufmerksamkeit, Gefühle, Gedanken oder eurer Gespräche steht. Gar nicht so sehr, weil sie andauernd über sich redet, sondern weil sie dich dazu bewegt, auf sie einzugehen, Fragen zu stellen, zuhören zu wollen.
Verwendete Quelle: psychologytoday.com