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Flirt per Handy? Ein Selbstversuch

Flirt per Handy: Frau mit Smartphone
© Denys Prykhodov / Shutterstock
Flirt per Handy - ein Programm soll das möglich machen. Funktioniert es, per Handy Leute kennen zu lernen? Ein Flirt-Selbsttest.

Ich bin jung, weiblich, ledig und ständig online. Ich checke fünf Email-Postfächer pro Tag. Außerdem meine Profile bei Xing, MySpace, Facebook. Mit Freunden skype ich, und in der U-Bahn tackere ich SMS ins Handy.

Vor lauter Digitalismus verkümmert mein echtes Leben wie eine Primel ohne Sonnenschein. Geflirtet hab ich schon lange nicht mehr. Wie finde ich den Weg zurück in die Wirklichkeit und komme mit dem Typen an der Käsetheke ins Gespräch?

Mit Aka Aki, sagen sechs Berliner. Sie haben das Programm mit dem japanisch klingenden Namen entwickelt, das per Mobiltelefon helfen soll, Leute auf der Straße kennen zu lernen. Wer die Software für den Flirt per Handy nutzt, bekommt durch Bluetooth die Profile anderer Mitglieder im Umkreis von 20 Metern angezeigt, kann Nachrichten schreiben und Freunde speichern. Ich verstehe so etwas immer erst, wenn ich es ausprobiert habe. Also los:

Online

Erstmal muss ich auf die Aka-Aki-Seite surfen und mir ein Profil basteln. "Helia, w, Hamburg, online" steht neben meinem Foto. Über mir wuchern froschgrüne Comic-Hochhäuser in den Bildschirmhimmel. Hübsches Design. Was nun?

Spreegold, m, 38, Berlin, ist mein erster Kontakt im Portal. Er schreibt eine Mail und schenkt mir einen Sticker - ein virtuelles Aufklebebild, auf dem steht: Chill out. Spreegold sieht süß aus, aber Berlin ist 300 Kilometer weit weg von mir. Bisher ist alles genauso virtuell wie bei Myspace oder anderen Kontaktbörsen im Netz.

Das Technikproblem - und die Lösung

Deshalb klicke ich den Button: Lad Dir das Aka-Aki-Programm aufs Handy! Mein Telefon soll jetzt "verzaubert" werden, damit ich auf der Straße andere User erkenne und ansprechen kann. Hürde Nr.1: Das Programm ist zwar kostenlos, aber man braucht einen Zugang zum Internet. Ich habe keinen volumenbasierten Datentarif. Das heißt, ich müsste für jede Minute, die ich Aka-Aki nutze, extra zahlen. Bei zehn Stunden wären das ungefähr 54 Euro. Viel zu teuer. Hürde Nr. 2: Wie es jetzt weitergeht, verrät mir niemand.Ich bin immer noch in der virtuellen Welt gefangen und kurz davor, aufzugeben.

Es hilft alles nichts: Ich muss mit meinem Handy ins Internet, um an Aka Aki teilzunehmen. Deshalb buche ich bei meinem Mobilfunkanbieter für drei Monate eine Flat ins Netz dazu. Kosten: 30 Euro.

Im echten Leben

Endlich, der mobile Kuppler ist aktiviert. Im Café fühle ich mich wie ein weiblicher Sherlock. Mit Handy statt Vergrößerungslupe in der Hand scanne ich meine Nachbarn ab. Warte auf ein Pling! - das Signal, das mir anzeigt, dass andere Aka-Aki-Menschen in der Nähe sind. Es passiert: nüscht. Ich schlendere die Straße runter. Endlich ortet mein Telefon ein anderes Handy. Aber Fehlalarm. Das Display zeigt nur einen unbekannten Nutzer an, der genau wie ich die Bluethooth-Funktion angeschaltet hat.

Auf dem Heimweg in der U-Bahn bimmelt das Handy wieder. Dieses Mal erscheint das Profilbild von einem anderen Aka-Aki-Mitglied: Crazy Coco steht neben dem fingernagelgroßen pixeligen Foto, auf dem ich nichts erkenne außer einer Baseballkappe. Doch Crazy Coco muss hier irgendwo im Waggon sein. Der Typ mit dem Scout-Ränzel, der im Strafgesetzbuch blättert? Schönen Dank. Der da vorne mit den Hip-Hop-Ketten? Hmm. Oder der Mann mit Sporttasche, der an seinem Handy rumspielt? Möglich.

Ich bin die Frau, er muss mich ansprechen. Er macht aber keine Anstalten. Also werde ich aktiv. Ich wedele mit meinem Telefon in der Luft. Ziehe die Augenbraun hoch, lächele den Sporttaschen-Träger an. Keine Reaktion. Nur von der Dame gegenüber. Sie schüttelt den Kopf und schaut weg. Peinlich! Gut, dass ich keine Gedanken lesen kann. An der nächsten Station springe ich aus der U-Bahn und schwöre mir: nie wieder!

Wieder daheim vor dem Rechner, kann ich mir im Online-Portal von Aka Aki anschauen, wem ich unterwegs begegnet bin. In der besseren Bildauflösung erkenne ich: Crazy Coco war doch der Nerd mit dem Strafgesetzbuch. Oje.

Flirt-Schnitzeljagd mit dem Handy

Am nächsten Tag geht die Handy-Schnitzeljagd weiter. Morgens beim Joggen im Stadtpark treffe ich niemanden aus dem Netz. Auf dem Weg ins Büro auch nicht. In der Mittagspause im Restaurant wirft mir mein Kollege vor, dass ich immerzu aufs Handy starre. Manchmal macht es Pling! Spreegold schreibt mir Mails, die wie SMS auf mein Handy trudeln.

Im Aka-Aki-Internet-Portal frage ich nach, wie es bei den anderen so läuft. Fee muss es wissen. Sie hatte 78503 Begegnungen in der Wirklichkeit. Darunter viele, die einfach nur Bluethooth angeschaltet haben, schreibt sie mir. "Ich hab jedenfalls noch niemanden auf der Straße kennen gelernt." Ich auch nicht, selbst nach einer Woche Aka-Aki-Testen. Dafür aber jede Menge Leute im Netz. Demnächst fahre ich mit meiner Handy-Wünschel-Route nach Berlin: Spreegold suchen.

Fazit

Aka Aki ist kein ausgewiesenes Flirt-Portal. Das Sozialnetzwerk ist der Versuch, aus Online-Communities über das Handy Offline-Gemeinschaften werden zu lassen. Im Moment klappt das noch nicht so richtig: Zu wenige Leute haben sich die Software aufs Handy geladen. Das liegt nicht nur am Bekanntheitsgrad von Aka-Aki, sondern auch daran, dass nicht jeder über die erforderliche Technik verfügt, die Flatrate ins Internet

Das inzwischen preisgekrönte Aka-Aki-Programm aber ist originell, macht Spaß, hat ein tolles Design und wird besser funktionieren, wenn Handys mit Online-Zugang irgendwann Standard sind. Jemanden kennen lernen geht übrigens auch so: Regelmäßig finden außerdem Aka-Aki Treffen in verschiedenen Städten statt, bei denen sich die Mitglieder in Wirklichkeit treffen.

Text: Helena Becker

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