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Frisch verliebt? Der Neid der anderen

Langzeitpaare reagieren nicht immer erfreut, wenn eine alte Freundin, die Singel war, sich frisch verliebt...

Ich nerve. Weil es mir gut geht, ach was, weil es mir saugut geht. Seit Wochen. Weil ich über den Flur schwebe, weil ich ohne Unterlass strahle, als wäre ich unter meinem Bett auf eine Goldmine gestoßen.

Dabei liegt das Glück in meinem Bett - und schnarcht. Stört mich nicht: Ich bin verliebt, extrem verliebt, seit Monaten schon. Es hat mich voll erwischt, wie mit 17. Dabei bin ich über vierzig.

Einige meiner alten Freundinnen und Freunde reagieren merkwürdig. Sie sind plötzlich zickig oder wortkarg, überkritisch oder überraschend mütterlich, nach dem Motto: "Bist du krank?"

Eigentlich hatte ich erwartet, dass Sonja mit mir jubelt, als ich ihr das erste Mal von IHM erzählte. Stattdessen: Schweigen. "Hey, ist das nicht großartig?" - "Ja, ja, aber. . . " Stille, Hochspannung, 1000 Volt kamen durch den Hörer. Dann tiefes Einatmen. "Tja, und wie soll das gehen - mit deinen Kindern?" Hallo? Was soll das denn?, denke ich irritiert. Aber ich versuche, ihr auf die nüchterne Ebene zu folgen. Es gelingt mir schlecht, meine Stimme lacht einfach dauernd - Sonja wird immer wortkarger, und wir beenden das Gespräch abrupt. Gut, ich hätte es mir denken können. Freundinnen ohne festen Partner fühlen sich schnell verraten, wenn ihre engste Verbündete plötzlich das Single-Boot verlässt. Vermutlich dürfen beste Freundinnen im modernen Märchen nur gleichzeitig Prinzen finden - oder gar nicht.

Es ist das erste Mal, dass Tim dabei ist. Seit Jahren fliege ich in den Herbstferien mit Freunden nach Kreta. Es sind alles Pärchen. Nach der Trennung von meinem Mann vor fünf Jahren war ich die einzige Single-Frau. Die "Stammgruppe" kenne ich noch aus Studienzeiten. Aber manchmal gesellen sich Neue dazu, Freunde von den alten Freunden. Es ist eine lockere Gemeinschaft. Meist buchen wir im gleichen Ort, aber in verschiedenen Pensionen. Wir liegen zusammen am Strand, essen am Abend alle gemeinsam, spielen danach Karten - je nach Laune, ganz entspannt.

Aber dieses Mal stimmt die Stimmung nicht. Es liegt nicht an Tim, den mögen sie. Es liegt an uns. Unser Geturtel, das verliebte Flirren, das uns umgibt, gefällt einigen offensichtlich gar nicht.

"Ach, kommt ihr auch schon?", empfängt uns Margot, als wir etwas später als verabredet zum Abendessen erscheinen. Ihr Blick verrät ihre Gedanken. Tim fängt den Ball und schmettert ihn zurück. "Klar, guter Sex braucht seine Zeit." - "Ähm . . . ja", sagt sie und starrt auf den Teller, als hätte sich ihr Gyros gerade in Heuschrecken verwandelt. "Aber genau das hat sie doch gedacht", sagt Tim, als ich ihn später auf seine lässige Antwort anspreche. Stimmt, das Gefühl hatte ich auch. Aber darf man es deswegen auch aussprechen?

Margot sieht unsere Lust - und was sie nicht sieht, denkt sie sich. Und was sie sich denkt, macht ihr zu schaffen. Schon vor Jahren hat sie mir erzählt, dass sie kaum noch mit Christian schläft. Damals klang es wehmütig. Jetzt wirkt sie bitter.

Müssen Langzeitpaare von frisch Verliebten geschont werden? Ist es unanständig oder geradezu sträflich, einfach rauszulassen, was die Liebe so mit sich bringt? Grundlos rumalbern, heftig flirten, hemmungslos küssen - und, ja, sogar: Sex vor dem Abendbrot. Darf man die laue Gewohnheit der anderen nicht konfrontieren mit der eigenen Lust und den feurigen Glücksschwaden? Manchmal kommt es mir vor, als stünden meine alten Freunde alle wie eine hungrige Meute um Tim und mich herum. Missgünstig knurrend, mit gebleckten Zähnen und mit triefenden Mäulern. Zu gern würden sie wohl ein Stück abhaben, aber wir beide teilen das begehrte Fleisch nur zwischen uns auf.

Angelika und Udo versuchen, auf spezielle Art teilzuhaben. Es sind Freunde von Freunden, und sie sind das erste Mal mit unserem Urlaubstrupp auf der griechischen Insel. "Der Udo macht dich ja total an, richtig dreist", meint Tim aufgebracht nach dem ersten gemeinsamen Strandtag. Ich hatte das gar nicht bemerkt. Glaubt da wirklich jemand, meine Verliebtheit sei übertragbar oder er käme zwischen uns? Am nächsten Tag muss ich Tim allerdings Recht geben. Immer wieder pirscht sich Udo möglichst nah an mich heran, zeigt auffallend viel Interesse an meinen Leberflecken und will ganz genau wissen, warum mir der Bestseller, den ich gerade lese, nicht gefällt. "Aber grundsätzlich liest du doch bestimmt gern, oder?" Angelika wird das zu viel. Sie versucht ihren Mann zu beschmusen, will mit ihm Beachball spielen. Er lässt sie eisig abblitzen. "Seit wann hast du Lust auf Bewegung?", ätzt er. Offensichtlich ist ihre Beziehung gerade in keiner guten Verfassung. "Hey, ich will doch gar nichts von deinem Mann", versuche ich ihr zu signalisieren. Aber das kommt nicht an - oder übertönt das Röhren ihres Gatten nicht. Die Spannung steigt.

Am nächsten Tag wirkt Angelika beschwingt. "Hallo, Tim, hast du denn gut geschlafen?", flötete sie und lässt sich neben ihm nieder. Wenig später: "Soll ich dir ein Eis mitbringen, Tim?" Ich scheine gar nicht mehr für sie zu existieren. Hin und wieder tätschelt sie sogar Tims Hand.

Abends im Bett müssen wir beide über diese merkwürdige Strategie lachen. "Was denkt die sich eigentlich?", fragt mich Tim. "Ist der das gar nicht peinlich?" Nein, peinlich ist Angelika offenbar nichts. Auch in den nächsten Tagen manövriert sie sich immer wieder an Tims Seite - und hat Erfolg. Nicht bei meinem Auserwählten - der lässt ihre plumpe Anmache an sich abtropfen. Aber ihren Mann hat sie aufgeschreckt. Er lässt sie nun nicht mehr aus den Augen und muss zwangsläufig den Blick von mir wenden. Das erleichtert mich einerseits - und andererseits bin ich sauer, weil ich das Gefühl habe, dass dieses kriselnde Paar uns benutzt, um seine desolate Beziehung zu stabilisieren.

Claudia hingegen glaubt tatsächlich, mich stabilisieren zu müssen. Sie gehört zu den Menschen, die sich immer um andere Sorgen machen. Leider schlägt ihre Fürsorge aber oft in Bevormundung um. Ihr Mann Klaus ist an ihrer Seite zu einem kleinen Jungen degeneriert. Als wir uns nach längerer Zeit wiedersehen, verformt sich Claudias Gesicht prompt zu einer einzigen Sorgenfalte: "Du bist aber dünn geworden, klapperdürr. Ich hab mich ja richtig erschrocken. Alles okay mit dir?" Ich weiß, dass ihr medizinischer Checkblick mich jetzt durchleuchtet und nach Tumoren, chronischen Entzündungen oder mindestens Bandwürmern absucht. "Mach dir keine Sorgen, mir geht's super. Ich bin total verliebt", versuche ich zu erklären, aber sie lässt sich nicht beirren. "Findest du nicht auch, dass sie schlecht aussieht, Klaus?" Ihr Mann mustert mich und sagt: "Nee, ich finde, sie sieht klasse aus." Claudia, die in den letzten Jahren ziemlich zugelegt hat, wirkt augenblicklich wie schockgefrostet. "Tja, dann weiß ich ja, was ich zu tun habe", schnappt sie und lässt offen, ob sie abnehmen oder sich neu verlieben will.

Ich senke betreten den Blick. Mensch, Leute, warum martert euch meine Verliebtheit derartig? Was quält euch so daran? Warum könnt ihr mir meine neuen Wonnen nicht einfach gönnen? Ihr wart doch auch mal so verliebt - könnt ihr euch denn gar nicht mehr an die Zeit erinnern?

Vielleicht ist es gerade das. Vielleicht schmerzt die Erinnerung. Weil die Schmetterlinge längst zu Fossilien aus wilder Vorzeit erstarrt sind. Speziell bei meinen Freundinnen habe ich den Eindruck, dass sie sich sehnen. Nach mehr Lust, mehr Lebendigkeit, mehr Neugier. Ihre Männer reagieren entspannter, fast wie im Kino: Sie gucken einfach zu. Aber Gefühle können auch anstecken. Isabelle, eine Freundin, die bald Silberhochzeit feiern kann und die auch schon lange zum Kreta-Team gehört, lässt sich von Tim und mir infizieren: "Ach, ich würde mich auch so gern mal wieder richtig verlieben", lacht sie zu uns rüber, "aber nur in meinen Mann." Sie klemmt sich bei ihrem großen Michael unter den Arm. "Küss mich doch auch mal wieder so." Michael kommt der Bitte zwar nicht nach, drückt sie aber ganz fest an sich und bleibt eine Weile so sitzen. Beim Abendessen fehlen die beiden.

Text: Lena Busch BRIGITTE Heft 1/2007

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