Wir trennen uns in der Gegenwart, weil uns die Vergangenheit sagt, dass es keine gute Zukunft geben kann. In die Zukunft können wir nicht schauen. Eineso tiefgehende Entscheidung wie die Trennung von einem oder einer Lebens- und Liebespartner:in ist daher wie ein Sprung ins Dunkle – es sei denn, wir haben schon jemand anderen am Start. Doch selbst dann: Wir wissen nie, worauf wir uns einlassen. Allein sich dieser Ungewissheit auszusetzen ist schon beängstigend.
Aber es ist ja noch schlimmer. Sich zu binden ist so ein überlebenswichtiges Bedürfnis, dass der Anfang wie auch das Ende einer Liebesbeziehung Gefühlsstürme in uns auslöst. Wenn wir uns verlieben, scheinen Top-Marketing-Strategen am Werk, gegen deren PR-Maßnahmen wir keine Chance haben. Wenn wir uns trennen, droht uns eine Vorstadt-Gang damit, unser Leben kurz und klein zu schlagen. Und wie wir wissen, tut sie es dann auch. Wir trauern, wir zweifeln an uns, wir taumeln durchs Leben, alles scheint sinnlos, und wir sind überzeugt, nie wieder eine Liebesbeziehung zu finden. Dementsprechend steht vor jeder Trennung riesengroß der Hinweis: Tu es nicht!
Diejenigen, die sich nicht so intensiv binden, trennen sich natürlich leichter. Aber sie würden auch nicht fragen, ob und wann sie sich trennen sollten, denn das ist ihnen klar: Sie lassen eine Partnerschaft hinter sich, sobald es ungemütlich wird. Doch selbst Bindungsvermeider:innen leiden, wenn sie mal wieder geflohen sind.
Eine Trennung ist nicht leicht
Sich zu trennen ist alles andere als leicht. Das hat aber auch den Vorteil, dass wir nicht voreilig gehen. Unsere Liebesbeziehung muss daher schon eine längere Zeit kein guter Ort mehr für uns sein, bevor wir aufgeben. Erst mal klammern wir uns an die früheren besseren Zeiten. Erklären uns, dass es jetzt gerade nicht gut sein kann, aber sicher wieder besser wird. Tatsächlich stirbt die Hoffnung hier zuletzt. Dann, wenn trotz aller Versuche, trotz aller Unterstützung durch Familie, Freunde und Paartherapeutinnen keine Begegnung mehr zustande kommt. Wenn unsere Partner:innen auf unsere Anliegen und Wünsche nicht eingehen und wir uns immer schlechter fühlen. An der Seite eines jeden Partners, jeder Partnerin, werden wir jemand anderes sein als vorher. Aber wenn wir nur noch ein unglücklicher Schatten unserer selbst sind, dann ist es Zeit zu gehen.
Manchmal ist das schwer zu spüren, denn wir verlieren uns oft schleichend. Es gibt kein sicheres Kriterium für Trennungen. Doch wenn die Gegenwart nur enttäuschend ist, unerträglich, quälend, und wir Angst vor dem Partner haben oder krank werden, weil unser Körper für uns streikt, dann wird es soweit. Es ist an der Zeit, uns zu trennen, wenn unser tiefes Leid unseren Partner nicht mehr erreicht, weil wir dann ohnehin schon getrennt sind.
Auch ich trenne mich, und zwar von den "Fragen der Liebe". Aber nicht von der Kolumne an dieser Stelle. Ab dem nächsten Heft geht es um "Zitate der Liebe". Die Ideen und Gedanken, die wir in uns tragen, die auf uns wirken und unser Liebesleben mitbestimmen – und die Philosophinnen, Dichter und Songschreiberinnen für uns formuliert haben.
Was die "Fragen der Liebe“ angeht, so bin ich sehr dankbar für Ihre Fragen, für Ihre Rückmeldungen und dafür, dass Sie sie gelesen haben.
Herzlichst, Ihr Oskar Holzberg.
Oskar Holzberg, 68, berät seit über 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und ist seit über 30 Jahren verheiratet. Sein aktuelles Buch heißt "Neue Schlüsselsätze der Liebe" (240 S., 11 Euro, DuMont).
