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Meinung "Ich brauche keinen Mann, ich hätte gerne einen"

Online Dating in Coronazeiten: Frau am Tablet
© wavebreakmedia / Shutterstock
Judka Strittmatter hat sich auf Partnersuche unter Pandemiebedingungen gemacht und stellt fest: Auch das Online-Dating funktioniert nun anders. 

Auch wenn gerade alles ätzend ist, bin ich doch eher eine "Krise als Chance"-Apologetin – und deshalb diesem blöden Virus irgendwie auch dankbar. Es bringt zwar vieles zum Erliegen, was wir essenziell vermissen, und um die Folgeschäden ist mir bange, aber die richtigen Dinge legt es eben auch lahm: den Flugverkehr, den Massenkonsum, die Nichtachtung des Pflegepersonals (eine bessere Bezahlung wäre allerdings angebrachter).

Auch auf den Datingportalen stehen die Zeichen auf Entschleunigung

Es erzwingt Abstand, wo er schmerzt, aber auch an Stellen, an denen man froh darüber sein kann – in Supermärkten, in der Bahn, beim Yogakurs. Gedränge ist vorerst passé, distanzlose Wesen darf man endlich anknurren, und übellaunige Großstadt-Gesichter granteln in der Bahn weitgehend unbeachtet hinterm eigenen Vorhang. Geistig-seelische Hygiene ist jetzt wichtig, denn Vereinsamung und Budenkoller lauern überall. Und wie schützt man sich vor beidem? Vor allem mit Spaziergängen an der frischen Luft.

Und den Stadtpark abschreiten darf man eben auch mit einem unbekannten und eventuellem "Love Interest". Dem ganzen Irrsinn, den wir jetzt durchleben, die Suche nach Liebe entgegenzusetzen: Das gefällt mir irgendwie. Obwohl ich bei Weitem keine Esoterik-Jüngerin bin, die sie als Heilmittel für alles sieht – für Flegel auf dem Fahrradweg genauso wie für Herpesblasen.

Meine Online-Dating-Erfahrungen sind noch dürftig, kurz vor dem ersten Lockdown legte ich los, obwohl ich mäßig motiviert war – die Überzahl der Schauergeschichten aus diesem Universum hielt mich zurück. Andererseits kenne ich auch tolle Paare, die sich dort gefunden haben. Und weil einem Beziehung nicht hinterhergetragen wird, muss man sich kümmern. Was der Lockdown für Zaudernde wie mich besonders verbessert hat: Auch auf den Datingportalen stehen die Zeichen auf Entschleunigung. Nicht bei den Anmeldungen und dem Datenfluss, da ging’s steil nach oben, sondern was Treffen vor der Haustür betrifft. Alles auf Abstand erst mal, Drängler und Schnell-zum-Ziel-Kommer wurden ausgebremst. Und das ist auch gut so.

Achtsame Beziehungsfindung steht hoch im Kurs

Vielleicht findet sich dank Corona die Romantik auf dem digitalen Liebesmarkt ein. Minnesänger werden da ja kaum geboren, Wisch und weg ist das Credo. Die Drosselung dieser fürchterlichen Unverbindlichkeit kommt meinen uncoolen Absichten sehr entgegen: Ich bin nämlich auf etwas Festes, etwas Schönes aus, mit ex und hopp ist bei mir nicht. Das gestehe ich natürlich auch den Männern zu. Das erfahrene, nicht mehr ganz so junge Herz fliegt längst nicht mehr so schnell wie noch mit Anfang 20 – das wissen wir doch alle. Außer es wird von Bedürftigkeit regiert. Ich brauche aber keinen Mann, ich hätte gern einen. Für mich ist das ein Riesenunterschied.

Und so genieße ich mit meinen Dates die Annäherung auf Distanz. Und da ist nicht nur der Park drin, man kann auch Galerien und den Zoo besuchen. Zoom macht es möglich. Ein Dinner kommt so auch infrage, und wer da ohne Murren mitmacht, ist schon mal nicht eingefahren. Am Bildschirm lässt sich zwar weder Brot noch Salz zuschieben, auch Füßeln fällt weg, aber einen anschickern kann man sich wunderbar – ohne Gefahr zu laufen, in fremdem Buntkarierten wach zu werden.

Das Prinzip achtsamer Beziehungsfindung steht also gerade hoch im Kurs. Und ich koste diesen Zustand weidlich aus. Denn wer jetzt bei gegenseitiger Anziehung nicht dranbleibt, ist auf keinen Fall krisenfest. Und wer weiß, welchen Notstand wir in Zukunft noch durchschreiten müssen.

Lernen aus der Krise

Judka Strittmatter ist gespannt, ob uns die Corona-Krise zu besseren Menschen macht. Weil harte Erfahrungen viele ja weiser und stärker werden lassen. 

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BRIGITTE 06/2021

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