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Paartherapeut "Um in einer unglücklichen Beziehung zu verharren, ist das Leben definitiv zu kurz"

Paartherapeut: "Um in einer unglücklichen Beziehung zu verharren, ist das Leben definitiv zu kurz"
© Rohappy / Shutterstock
Was tun, wenn man die Beziehung eigentlich beenden will, es aber nicht schafft? Paartherapeut Eric Hegmann hat Antworten.

BRIGITTE.de: Stellen wir uns vor, ich bin ein einer Beziehung, die mir nicht guttut, schaffe es aber nicht, mich zu lösen. Was raten Sie mir?

Eric Hegmann: Das Wichtigste ist, dass Sie auf Ihre Gefühle hören, denn die wollen Sie beschützen. Negative Gefühle sind ein integriertes Warnsystem, und es ist immer ein Fehler, sie zur Seite zu schieben und zu hoffen: Die gehen schon weg, wenn man sie nicht beachtet. Eigentlich sollte man auf seine Gefühle zugehen und sagen: "Vielen Dank, liebe Emotionen, schön, dass ihr da seid, ich schaue jetzt mal nach, was das ist, und reagiere dann darauf." Bei starken Emotionen ist das nicht immer einfach, aber es gibt therapeutische Werkzeuge zur Emotionsregulation, die man nutzen kann.

Was ist, wenn ich meine negativen Gefühle angenommen habe, mich aber trotzdem nicht trennen kann?

Dann sollten Sie auf Ihre Beziehungsbiografie schauen. Je schmerzhafter Ihre Verlusterfahrungen waren, desto schwerer fällt es Ihnen, sich zu trennen. Da laufen dann bewusste und unbewusste Strategien ab, die Sie daran hindern, loszulassen. Der berühmte Satz "Ich kann mich nicht trennen" heißt ja eigentlich "Ich will mich nicht trennen, weil ich noch nicht die Motivation gefunden habe, die mich überzeugen würde". Da hilft es, zu schauen, welche Trennungserfahrungen man gemacht hat und ob das etwas ist, das mich davon abhält, die Beziehung zu beenden.

Und wenn ich diese Frage mit Ja beantworte, aber meine Angst trotzdem zu groß ist, wieder eine furchtbare Trennung zu erleben?

Dann würde ich sagen: Unterstützung suchen statt lange auszuharren. Man sollte nicht vergessen, dass das Leben nicht so wahnsinnig lang ist. Um in einer unglücklichen Beziehung zu verharren, ist es definitiv zu kurz. Zum Glück gibt es therapeutische Möglichkeiten, solche Blockaden zu lösen, etwa mithilfe von EMDR. Dieser Ansatz kommt aus der Traumatherapie. Damit kann man auch Trennungserfahrungen anders abspeichern, damit sie einen deutlich weniger belasten. Es kommen übrigens auch immer wieder Paare zu mir, wo ein Partner schon weiß, dass er die Beziehung nicht fortzuführen will, aber möchte, dass ich den Job übernehme, das Ende der Beziehung zu verkünden. Ein guter Therapeut wird das nicht tun, aber er wird dann schon mal fragen: "Warum sitzen Sie hier eigentlich, ich habe den Eindruck, Sie haben sich schon entscheiden, liege ich da richtig?"

Warum schaffen es manche nicht, ihren Trennungswunsch auszusprechen, spielen da auch Schuldgefühle eine Rolle?

Das hat unterschiedliche Gründe. Bei manchen Paaren geht es um Unsicherheit über die Tragfähigkeit der Beziehung. Hier soll die Einschätzung de:r Therapeut:in die eigene Entscheidung unterstützen oder legitimieren. Bei anderen Paaren ist die Furcht vor der Reaktion de:r Partner:in so groß, dass die Trennung in einem sicheren Setting erfolgen soll. Und dann gibt es Menschen, die sich nicht selbst trennen wollen, weil sie das Gefühl des Scheiterns nicht ertragen und mit ihren Verhaltensweisen d:ie Partner:in provozieren möchten, dass sie oder er die Trennung benennt, nachdem in der Paartherapie die Ausweglosigkeit skizziert worden ist. Aber es gibt auch andere gute Gründe, sich nicht zu trennen: finanzielle Abhängigkeit, Sorge um das Kindeswohl, Anfeindung durch Familienmitglieder oder Angst vor Gewalt.

Und dann?

Dann kann es helfen, sich vorzustellen, welche Möglichkeiten das Leben böte, wenn man den Raum für Neues schaffen würde.

Aber wenn man Angst davor hat, sieht man nur Schreckensszenarien.

Ich bin ja der Meinung, dass positive Erfahrungen uns die meiste Energie geben. Da kann auch mal eine Beziehungspause sinnvoll sein, um zu schauen: Wie erlebe ich das denn, wenn ich ein bisschen Abstand habe? So lange ich im System drinstecke, sehe ich oft kaum einen Ausweg.

Ich kenne Frauen, die sagen: Ich habe keine Lust mehr auf schmerzhafte Erfahrungen, ich lasse das bleiben mit der Liebe. Was kann ihnen helfen?

Das ist die gründlichste Vermeidungsstrategie, die man anwenden kann. Es gibt aber auch unbewusste Vermeidungsstrategien. Diese Menschen sagen dann zum Beispiel: "Ich suche nicht, ich lasse mich finden." Das ist die gleiche Botschaft: Dass es jemanden braucht, der mir so viel Sicherheit gibt, dass ich nicht fürchten muss, wieder eine schmerzhafte Erfahrung zu machen. Aber da muss man dann oft lange warten. Andere Menschen erleben vielleicht, dass sie immer an vergebene oder nicht erreichbare Partner:innen geraten. Das ist selten Zufall. Wenn das immer wieder passiert, würde ich unbedingt empfehlen, zu schauen: Ist das ein Muster, und womit hat dieses Muster zu tun? Man darf nicht vergessen, dass Trennung und Verlust zu den schlimmsten Dingen gehören, die ein Mensch erfahren kann. Es ist normal, dass wir das nicht wieder erleben wollen.

Trotzdem scheint die serielle Monogamie das dominante Beziehungsmodell zu sein.

Wir führen heute mehr Beziehungen als jede Generation zuvor, und natürlich machen wir dadurch auch mehr Trennungserfahrungen. Das Online-Dating mit den vielen Zurückweisungen, die wir dabei erleben können, hilft dem Selbstwert auch nicht ungemein. Und natürlich ändert das auch was an der Art, wie Menschen aufeinander zugehen. Wir sind sehr viel distanzierter, vorsichtiger und misstrauischer, haben immer die Angst im Hinterkopf: Puh, das letzte Mal hat's nicht funktioniert, wie mache ich es diesmal besser?

Wie kommt man aus diesem Teufelskreis heraus?

Da gehört sehr viel Mut und Vertrauen dazu. Das Vertrauen im Partner zu suchen, ist allerdings die falsche Strategie. Es geht darum, Vertrauen in die eigenen Heilungskräfte und in die eigenen Widerstandskräfte zu ermöglichen.

Was also tun?

Unglückliche Beziehung, Trennung
Eric Hegmann ist Paartherapeut, Single-Coach, Parship-Berater und Gründer der Modern Love School in Hamburg
© Robert Hilton

Das Ziel sollte sein: Schluss mit den negativen Erfahrungen, die mich derart belasten und steuern und meine Gestaltungsmöglichkeiten sabotieren! Wir sollten viel stärker darauf achten, wie wir sie durchbrechen und Neues erleben können. Also weniger sagen: "Was fehlt mir, wo ist mein Mangel?" Sondern: "Was steht mir zur Verfügung und was kann ich daraus gestalten?" Das Glas ist immer besser halb voll als halb leer, wenn man aufbrechen und etwas Neues ausprobieren möchte. Und es macht was mit einem, wenn man ohne das Bild im Kopf 'das wird eh wieder nichts' zu einem neuen Treffen geht. Das macht dann plötzlich wieder Spaß. Und darum geht es doch: Wir wollen einen Menschen, von dem wir den Eindruck haben, mit dem können wir noch in zehn oder 15 Jahren Spaß haben. 

Brigitte

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