Kurz gesagt: Wichtig ist, dass wir die Diagnose überhaupt stellen.
Jetzt mal ausführlich: Zuerst waren es Tilda und Tilly, die sich näherkamen. Er reckte seine Nase an ihren Po, und sie war nicht abgeneigt. Wie Hunde das eben so machen. Und weil ihre beiden Vierbeiner so glänzend miteinander klarkamen, trafen sich Sam und Zooey von nun an regelmäßig, um sie auszuführen. Und eines Tages, viele Wochen später, küssten sie sich. Und Zooey spürte, dass gerade etwas Wichtiges begonnen hatte.
War das nun Liebe auf den ersten Blick, nur dass keiner von beiden das sofort hatte wahrhaben wollen? Oder war es doch eher Liebe, die erst nach ein paar Monaten aus Freundschaft entstand? So soll es laut einer Untersuchung bei zwei Dritteln aller Paare sein. Demnach ist "Tausend Mal berührt, bis was passiert" die Regel – und nicht der emotionale Blitzschlag, der urplötzlich das Leben verändert. Und die Mythen, dass wir genau den Partner finden, den wir brauchen, dass unser Unbewusstes unseren Seelenmenschen sofort erkennt und umgekehrt, sind eben genau das: nur Mythen. Macht am Ende einfach nur Gelegenheit Liebe?
Fest steht nur: Viele Menschen finden irgendwann einen Partner, eine Partnerin, und treffen sogar die Entscheidung, einen Großteil ihrer Lebenszeit mit diesem Menschen verbringen zu wollen. Allerdings entstehen ernsthafte Beziehungen, weil sich unsere Gefühle füreinander intensivieren, und nicht, weil wir von Anfang an daran denken, mal gemeinsam in Rente zu gehen. Wir halten uns durchaus offen, uns wieder zu trennen. Doch erst mal folgen wir der Liebe in der Zuversicht, jemanden gefunden zu haben, der uns guttut und auf den wir zudem unglaublich heiß sind. Oder sind wir auf ihn heiß und glauben deshalb, er tue uns gut?
Liebe ist eine lange Reise und kein Kurztrip
Noch hat niemand herausgefunden, wie wir wissen können, wer der oder die Richtige für uns ist. Und die Chancen, das jemals herauszufinden, stehen auch schlecht. Denn um zu wissen, wer zu uns passt, müssten wir ja zunächst mal wissen, wer wir selbst sind. Aber wenn uns irgendwer rätselhaft ist, dann sind wir es uns selbst. Selbstauskünfte sind notorisch unzuverlässig. Wir machen nicht anderen Menschen etwas vor, sondern vor allem uns selbst. Und was, bitte schön, heißt "passen" überhaupt? Sexuell, intellektuell, spirituell? Gesundheitlich, humormäßig, politisch, temperamentmäßig? Heißt "passen", dass wir uns ganz ähnlich sind, oder dass wir uns gut ergänzen?
Es scheint doch wohl eher so zu sein, dass wir einander entdecken, uns miteinander entwickeln und gemeinsam einen Weg durch unsere Leben finden. Liebe hat mehr damit zu tun, dass wir uns gegenseitig eine gute Reisebegleitung sind. Jemand, der auch schwierige Etappen mithält. Eine Person, die Mut macht und an unserer Seite ist, wenn es schwierig wird. Die uns zum Lachen bringt, wenn die Strecke gerade mühsam ist. Die dranbleibt, uns immer wieder neu zu entdecken.
Die Prinz-trifft-Prinzessin-Story hat dagegen eher etwas von einem Zieleinlauf: endlich angekommen! Aber es wartet kein Königreich, sondern die Lebensnische, die wir uns erst schaffen müssen. Der erste Blick ist dabei nicht unwichtig. Aber entscheidend ist doch, ob wir auch danach immer wieder hinschauen. Und wer wir werden, wenn wir zusammen sind. Insofern, Mr. Shaw, ist die Diagnose auf den ersten Händedruck schon okay. Denn irgendwie müssen wir ja den Mut finden, damit anzufangen.