BRIGITTE: Gibt es Situationen, in denen ein Ultimatum sinnvoll ist?
Claudia Clasen-Holzberg: Der Begriff "Ultimatum" kommt aus der Diplomatie. Es wird eingesetzt, wenn alle anderen Einigungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind: wenn Gespräche unfruchtbar geblieben oder getroffene Vereinbarungen mehrfach gebrochen worden sind. Insofern ist ein Ultimatum immer das letzte Mittel - eine Notbremse, die ein Partner nur dann nutzen sollte, wenn seine inneren Grenzen permanent verletzt werden und die Selbstachtung droht, verloren zu gehen. Diese Grenzen sind natürlich bei jedem verschieden.
BRIGITTE: Was sollte ich bedenken, bevor ich meinem Partner ein Ultimatum stelle?
Claudia Clasen-Holzberg: In dem geschilderten Fall stellt die Frau aus einer impulsiven Situation heraus das Ultimatum. Das ist verständlich, denn so befreit sie sich aus der Opferrolle: Ein Ultimatum - das ist eine wichtige Erfahrung - gibt einem die Möglichkeit zurück, Wirkung zu erzeugen. Aber weil sie nicht sorgfältig darüber nachgedacht hat, ist sie später unsicher, ob sie die Konsequenzen wirklich tragen will. Besser ist es, ein Ultimatum bewusst anzuwenden: Erst sollten Sie versuchen, offen über den Konflikt zu sprechen, nach Kompromissen suchen. In diesem Fall muss die Frau außerdem bedenken: Durch das Ultimatum kann sie eine bestimmte Verhaltensänderung erzwingen, nämlich dass ihr Mann sich mehr Zeit für die Familie nimmt. Sie erreicht aber nicht unbedingt eine grundsätzliche Veränderung im Kommunikationsverhalten - die offensichtlich nötig ist, wenn es ihr über einen langen Zeitraum nicht gelungen ist, sich dem anderen mitzuteilen und verstanden zu werden.
BRIGITTE: Was muss ich beachten, wenn ich mich doch zu einem Ultimatum entschließe?
Claudia Clasen-Holzberg: Erstens: Machen Sie sich klar, ob Sie Ihren Partner tatsächlich verlassen wollen, wenn sich nichts ändert. Wer ein Ultimatum stellt, hängt an der Beziehung, sonst würde er einfach gehen: Es wird nicht leicht fallen, die angedrohte Trennung auch zu vollziehen. Wer jedoch etwas ankündigt und dann nicht handelt, verliert an Glaubwürdigkeit. Wenn Sie unter einem Abhängigkeitsverhältnis leiden und die Trennung nicht schaffen, obwohl Sie wissen, dass es besser für Sie wäre - suchen Sie professionellen Rat. Zweitens: Das Ultimatum sollte klar, vom Partner erfüllbar und leicht zu überprüfen sein. Also nicht einfach sagen "Du musst dich ändern!" oder "Du musst Rücksicht nehmen!", sondern konkrete Forderungen stellen wie: "Du sollst zweimal pro Woche zum Abendessen kommen!" Drittens: Die Drohung muss dem Anlass angemessen sein. Bei ernsten Problemen könnten Sie fordern, dass er mit Ihnen zur Paartherapie geht. Auf keinen Fall dürfen Sie bei jeder Bagatelle sofort drohen, den Partner zu verlassen - das wäre emotionale Erpressung.
BRIGITTE: Wie reagiere ich, wenn ich die bin, der ständig mit dem Aus gedroht wird?
Claudia Clasen-Holzberg: Menschen, die häufig zum Ultimatum greifen, sind oft solche, die befürchten, selbst verlassen zu werden, und ihrem Partner mit Trennungsdrohungen zuvorkommen wollen, um die eigene Angst nicht spüren zu müssen. Schlimmstenfalls müssen Sie es drauf ankommen lassen: "Okay, wenn du gehen willst, dann geh!" Dann wird man sehen, was passiert.