Liebe: Weniger Stress, mehr Gelassenheit
Ein wundervoller Zustand - so richtig verknallt über beide Ohren. Sich verlieben heißt auf Englisch: to fall in love. Auf Französisch: tomber amoureux. Beides bedeutet wörtlich übersetzt: in die Liebe fallen. So, als würden wir in dieses großartige Gefühl hineintaumeln. Und dabei ein bisschen das Gleichgewicht verlieren. Nein, dies ist kein Appell, sich nicht mehr zu verlieben. Aber es ist eine Anregung, den Zustand des Verliebtseins zu hinterfragen und zu verstehen, was in Partnerschaften eigentlich abläuft, warum wir oft zu viel von der Zweisamkeit erwarten. Und weshalb uns selbst die größte Liebe ab und zu in völlig ungelassenen Wahnsinn treibt.
Die kleinen Gelassenheits-Killer
1. Zu fixiert sein In der romantischen westlichen Vorstellung des Verliebtseins fokussiert sich alles nur noch auf den Liebsten. Wir projizieren Wünsche, Träume und Befürchtungen in die Zukunft. Vielleicht könnten wir zusammenziehen und dann heiraten? Hoffentlich will er Kinder! Was, wenn er in zehn Jahren einen Herzinfarkt erleidet oder eine Affäre beginnt? Anstatt die Liebe zu genießen, werten, hoffen, fürchten wir ohne Unterlass, weil wir, wie Buddhisten sagen, zu sehr anhaften, nicht loslassen können.
2. Zu ängstlich sein Die Angst, die Liebe verlieren zu können, gibt ihr ein hässliches Gesicht. Furcht verwandelt Liebe in Abhängigkeit, Gespräche in Wortgefechte, Freiheit und Fröhlichkeit in einen goldenen Käfig. Angst ist der engste Begleiter der buddhistischen Untugend des Anhaftens. Angst bezieht sich übrigens nicht nur darauf, den anderen zu verlieren. Sondern vor allem in länger dauernden Partnerschaften steckt dahinter auch die Sorge, etwas zu verpassen. Spätestens nach den ersten größeren Krisen beschleicht uns nämlich der Gedanke: Was, wenn der Partner doch nicht optimal zu uns passt? Vielleicht könnte uns ja irgendwann ein besserer/reicherer/schönerer/ jüngerer über den Weg laufen? Doch die ständige Sorge, das Optimum zu verpassen, verhindert wahre Nähe.
3. Zu wenig mitfühlen Die Partnerschaft und die Liebsten sind die stärkste aller inneren Kraftquellen - vorausgesetzt, sie sind intakt. Aber das erfordert Aufmerksamkeit, Respekt, echtes Mitfühlen. Und die Fähigkeit, den Blick weg von uns selbst auf den anderen zu richten, wahrzunehmen, was genau in diesem Moment mit ihm los ist, ohne Vorwürfe, ohne Angst, einfach nur mit offenen Augen. Dann fällt uns vielleicht auch auf, in welche innere Not wir unseren Partner mit einem bestimmten Verhalten treiben. Und vielleicht werden wir ein bisschen aufmerksamer für seine inneren Verletzungen, die ihn manchmal so reagieren lassen, dass wir es nicht gleich auf Anhieb verstehen. Für den Dalai-Lama ist Liebe ein umfassendes Gefühl, das vor allem mit einer Fähigkeit zu tun hat: wahrhaft mit anderen mitzuleiden.
1. Kontrolle abgeben Wieso lassen wir uns eigentlich ernsthaft auf kraftraubende Machtkämpfe ein - auch, wenn es oft um nichts weiter als eine piefige, nicht zugedrehte Zahnpastatube geht? Dahinter steckt der Wunsch, den Partner und das Zusammenleben zu kontrollieren. Darauf zu verzichten bringt mehr Seelenfrieden. Deshalb lohnt es sich, immer mal wieder darüber nachzudenken, was man im Leben alles manipulieren möchte und was einen nervt. Dann fragen Sie sich ganz freundlich, was geschähe, wenn Sie die Situation so sein ließen, wie sie ist. Und was passieren würde, wenn Sie nicht versuchten, den Menschen zu verändern. Tun Sie das täglich für ein paar Augenblicke - und beobachten Sie, wie sich Ihr Blick allmählich verändert.
2. Energiebarometer einführen Oft kocht Streit dann hoch, wenn beide abends gestresst aufeinandertreffen, weil die Energiereserven völlig leer sind. Weil beide schlecht gelaunt sind und der andere kein Verständnis dafür aufbringt. Gegenstrategie: Jeder darf im Flur oder in der Küche einen Zettel aufhängen, wo er auf seinem persönlichen Energiebarometer (von hoch über mittel bis ganz niedrig) einzeichnet, wie er sich gerade fühlt. Das schärft das Gefühl für den anderen, öffnet die Tür für gemeinsame Gegenstrategien. Und sorgt für gegenseitiges Mitgefühl.
3. Offen sein wie am Anfang Mit dieser kleinen Übung lernen Sie, Ihren Partner besser wahrzunehmen - und Spaß macht sie auch. Setzen Sie sich hin. Atmen Sie dabei mehrere Male tief ein und aus, lassen Sie Ihr Herz dabei weiter werden. Und jetzt sehen Sie sich Ihren Partner so an, als sähen Sie ihn zum ersten Mal. Richten Sie dabei Ihr Augenmerk auf die Kleinigkeiten, die Sie besonders mögen. So gelingt es übrigens, sich an die Dinge zu erinnern, die Sie früher so sehr geschätzt haben - und die nun schon so selbstverständlich geworden sind.
4. Gefühle beobachten "Glück entsteht dadurch, dass wir unseren Geist beherrschen", sagt der Dalai-Lama. Aber häufig beherrscht der Geist uns - besonders dann, wenn uns miese Emotionen überrollen. Wenn das passiert: Ziehen Sie sich zurück, und versuchen Sie, ihre Gedanken einfach nur zu beobachten, ohne zu handeln. Der Dalai-Lama rät in diesem Moment, "einen Beobachter, der Gedanken betrachtet, abzuzweigen". Nach und nach entwickelt sich so die Fähigkeit, Seelenzustände besser wahrzunehmen und zu größerer Klarheit zu kommen.
Der Profitipp Annemarie Pieper, Professorin für Philosophie an der Universität Basel: "In dem Wort Gelassenheit steckt das Verb ›lassen‹. Das mache ich mir immer wieder deutlich. Denn damit haben die meisten Menschen Schwierigkeiten: manchmal etwas zu lassen, wie es ist - egal, ob es sich um Dinge, Menschen oder Verhältnisse handelt."