Entscheidungsfindung: Warum fällt sie uns so schwer?
Unglaublich, aber wahr: Wissenschaftler schätzen, dass wir am Tag 35.000 (!) verschiedene Entscheidungen treffen. Von der Wahl des richtigen Müslis im Supermarkt, bis hin zur Parkplatz-Entscheidung: Unser Gehirn ist ständig damit beschäftigt, Informationen zu verarbeiten und zu beurteilen. Kleinere Entscheidungen handeln wir dabei meistens mühelos. Größere Fragen rund um Finanzen, den Beruf oder die Partnerschaft können aber ganz üble Kopfschmerzen verursachen. Hier fällt die Entscheidungsfindung so schwer, dass wir sie gerne ganz aufschieben. Das bedeutet aber auch, dass wir viel zu lange in Situationen stecken bleiben, die uns nicht glücklich machen.
Warum fallen uns Entscheidungen so schwer? Auch, wenn wir alle unterschiedlich sind und in unterschiedlichen Lebensumständen stecken – hinter der Entscheidungsfindung steckt eine Grundemotion, nämlich Angst. Entscheidungen bringen Veränderungen mit sich. Und die daraus resultierende Unsicherheit schürt Sorgen und macht uns beklemmt.
Wir haben Angst davor…
…etwas Wichtiges zu verlieren. Seien es Beziehungen oder finanzielle Mittel.
…unangenehme Konsequenzen heraufzubeschwören. Zum Beispiel hitzige Konfrontationen.
…Vertrautes aufzugeben. Dies verbinden wir unterbewusst mit einem Verlust an Sicherheit.
Bei manchen Menschen ist diese Angst so stark ausgeprägt, dass sie eine richtige Entscheidungsphobie entwickeln, auch Decidophobia genannt. Betroffene tun dann alles, um Entscheidungen zu vermeiden – denn diese lösen Panikattacken und extreme Angstzustände aus. Damit es nicht soweit kommt, kannst du dir ein paar Tricks aneignen, welche die Entscheidungsfindung einfacher machen.
Entscheidungsfindung: Was uns im Weg steht
Jeder kennt das Gefühl – du möchtest dich entscheiden, aber irgendetwas blockiert dich. Häufig kommen in uns dabei die gleichen Fragen auf, die natürlich mit Angst zusammenhängen.
Löse dich zuerst von diesen drei Blockaden:
- Was, wenn ich mich falsch entscheide? Du kannst nur für diesen Moment die richtige Entscheidung treffen. Und wenn es sich für dich jetzt richtig anfühlt, kann es nicht falsch sein.
- Was, wenn ich die Entscheidung bereue? Entscheidungen sind keine Sackgassen – du kannst deine Situation in jeder Situation ändern.
- Was, wenn ich der anderen Option nachtrauere? Du wirst nie wissen, wohin dich die andere Wahl geführt hätte – vielleicht wärst du in einer viel schlimmeren Situation gelandet. Da du diese Option nie kennen wirst, ist der Vergleich nicht fair.
Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Die Entscheidungsfindung kann ganz schön stressig werden und Selbstzweifel auslösen. Damit der Prozess in Zukunft angenehmer wird und du schneller dabei wirst, kannst du dich an ein paar gute Entscheidungs-Strategien halten. Folgende Methoden werden dich bei Entscheidungen aller Art unterstützen.
Tipp 1: Nimm dir Zeit für Recherche
Bei der Suche nach der richtigen Wahl treffen wir häufig auf ein Gefühl: Überforderung. Wir fühlen uns von den verschiedenen Optionen wie erschlagen. Das führt häufig dazu, dass wir ein Aufschiebeverhalten entwickeln – und uns einfach gar nicht entscheiden.
Du kannst die Aufschieberitis allerdings umgehen – und zwar durch eine intensive Recherche. Oft fallen uns Entscheidungen schwer, weil wir das Thema noch nicht richtig durchdrungen haben. Musst du dich zum Beispiel zwischen zwei Jobangeboten entscheiden, hilft es, sich im Detail über die Stellen zu informieren. Mach dir alle Vor- und Nachteile bewusst, vom Gehalt bis zum Standort. Dabei wirst du immer mehr Punkte finden, die dich bei deiner Entscheidung in eine bestimmte Richtung lenken.
Tipp 2: Hol dir Feedback in Maßen
Ein guter Rat kann dich in schwierigen Entscheidungssituationen bestärken – das hat sicher schon jeder erlebt. Manchmal können Ratschläge aber auch genau das Gegenteil bewirken und uns verunsichern. Frage dich also immer, von wem du dir Rat einholst. Hat die Person überhaupt genug Erfahrung mit der Sache, um dir eine qualifizierte Meinung geben zu können? Steht für sie dein Wohl im Vordergrund oder ist sie selbst in die Situation verwickelt und denkt an sich selbst?
Hole dir also ruhig Ratschläge von anderen ein, aber verliere dich nicht in den Meinungen der anderen. Du weißt ja: Zu viele gute Köche verderben den Brei – und zu viele gute Ratschläge verwässern dein eigenes Bauchgefühl.
Tipp 3: Mache eine 7 Tage-Challenge
Bei größeren Entscheidungen, die du nicht sofort heute treffen musst, darfst du dir getrost mehr Zeit lassen. Aber am besten nicht ewig – sonst wird die Entscheidung bloß weiter nach vorne geschoben. Setze dir selbst ein Limit. Du könntest dir zum Beispiel eine Woche Zeit nehmen, um eine Wahl zu treffen. Dabei hilft dir eine kleine sieben Tage-Challenge weiter. An jedem Tag fragst du dich:
Wenn ich mich heute entscheiden müsste, wofür würde ich mich entscheiden?
Sammele deine Antworten am besten schriftlich. Am Ende der Woche siehst du dir an, welche Wahl am häufigsten getroffen wurde. Wenn du danach immer noch nicht eindeutig weißt, wie du dich entscheiden sollst, kann du die Challenge noch eine Woche weiterführen. Dann sollte sich ein klares Muster abzeichnen.
Tipp 4: Geh auf Alternativensuche
Hast du wirklich alle Alternativen im Blick? Oft sind wir so fokussiert auf das Problem, dass wir sehr viele Möglichkeiten gar nicht sehen (oder sehen wollen). Dabei kann es dir enorm helfen, wenn du dir wirklich alle Alternativen vor Augen führst.
Bei größeren Entscheidungsthemen kann es daher hilfreich sein, eine kleine Schreibübung durchzuführen:
- Notiere zuerst das Problem, also die Entscheidungsfrage, um die es geht.
- Führe jetzt alle möglichen Wahlmöglichkeiten auf, die dir einfallen.
- Schreibe auch Absurdes oder Unrealistisches auf (manchmal wird dir auffallen, dass diese Möglichkeiten gar nicht so unrealistisch sind, wie sie zuerst scheinen).
- Sieh dir die Liste am nächsten Tag nochmal an und frage dich, ob noch eine Alternative fehlt.
- Hinterfrage, mit welcher Alternative du dich aktuell am wohlsten fühlst.
Tipp 5: Analysiere das Pro und das Contra
Die gute alte Pro- und Contra-Liste hat wahrscheinlich jeder schon mal aufgeschrieben. Sie kann dir auch bei der Entscheidungsfindung helfen. Dabei wendest du die Liste auf die möglichen Wahlmöglichkeiten an. Welchen Vorteil bzw. Nachteil hat Option A im Vergleich zu Option B? Auch wenn du dies in Gedanken vielleicht schon durchgegangen bist – manchmal müssen solche Dinge einfach aufgeschrieben werden, um sie dir vor Augen zu führen. Und dann ist die Entscheidung auf einmal ganz offensichtlich.
Tipp 6: Entscheide, wenn du dich gut fühlst
Schlaf erstmal drüber! Das ist der klassische Spruch, wenn es um Entscheidungen geht. Laut Wissenschaftlern macht das tatsächlich Sinn: Wenn du erholt und ausgeruht bist und dich motiviert und fokussiert fühlst, triffst du langfristig gesehen die besseren Entscheidungen. Das konnte ein wissenschaftliches Paper aus dem Jahr 2018 zeigen.
Tipp 7: Schaffe Zeit für die Entscheidungsfindung
Gibt es eine Möglichkeit, dir für eine Entscheidung mehr Zeit zu verschaffen? Unter Zeitdruck neigen wir sonst nämlich dazu, risikofreudiger und nicht mehr rational zu denken (und zu handeln) – das konnten Forscher im Jahr 2017 belegen.
In einer Studie neigten die Teilnehmer dazu, sich bei Finanzthemen unter Zeitdruck für die unsichere Wahl zu entscheiden. Teilnehmer, die mehr Zeit für die Entscheidung hatten, wählten die risikoärmere Option. Das bedeutet: Kurzfristig neigt unser Gehirn dazu, das Risiko vorzuziehen. Das muss nicht unbedingt die schlechte Wahl sein – das kannst du aber erst durch einige Bedenkzeit herausfinden. Plane am besten im Voraus, damit du am Ende genügend Zeit für deine Entscheidung hast.
Bist du zu hastig in Entscheidungsfragen weil du zu ungeduldig bist? Hier findest du heraus, wie du Ungeduld besiegen kannst und geduldiger werden kannst.
Tipp 8: Identifiziere alle Risiken
Wir können nie genau wissen, wo uns eine Entscheidung hinführen wird. Ein paar Risiken können wir bei der Entscheidungsfindung aber dennoch abschätzen, damit wir uns sicherer fühlen.
Frage dich: Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Und kannst du dich damit anfreunden? Es kann hilfreich sein, sich nicht nur das bestmögliche Szenario vor Augen zu führen, sondern auch das negative Outcome zu kennen. So siehst du die Situation am realistischsten und kannst die beste Entscheidung für dich treffen.
Tipp 9: Vermeide die Entscheidungsmüdigkeit
Wie anfangs bereits erwähnt, treffen wir täglich ziemlich viele Entscheidungen. Ist dir schon mal aufgefallen, dass du abends öfter nachgibst und lieber andere entscheiden lässt? Früher oder später kommt uns die sogenannte Entscheidungsmüdigkeit in die Quere. Unser Gehirn ist dann überlastet und möchte Entscheidungen lieber umgehen. Das ständige Denken, Bewerten und Auswählen ist für den Denkapparat ermüdend. Irgendwann streikt das Gehirn und die Selbstdisziplin schwindet.
Das bedeutet auch: Musst du an einem Tag eine wirklich wichtige Entscheidung treffen, solltest du es dir in anderen Bereichen einfach machen. Spare dir deine mentale Kraft lieber für die große Entscheidung auf.
Tipp 10: Entscheiden trainieren
Je öfter du Entscheidungen treffen musst, desto besser wirst du daran. Jede Verhaltensweise ist eine Gewohnheit – das gilt auch für die Entscheidungsfindung. Wenn du besser darin werden möchtest, musst du öfters ganz bewusst entscheiden. Nimm dir zum Beispiel vor, beim nächsten Dinner in zwei Minuten zu entscheiden, was du gerne bestellen möchtest. Und wenn dich jemand fragt, wo ihr euch treffen wollt, entscheidest du und gibst die Entscheidung nicht an die andere Person ab. Das sind kleine Übungen, die dich langfristig viel sicherer in Entscheidungsangelegenheiten machen.
Verwendete Quellen: Ariely, D. (2000). Controlling the information flow: Effects on consumers' decision making and preferences. Journal of Consumer Research, 27(2), 233-248; Baumeister, R. F., Tice, D. M., & Vohs, K. D. (2018). The strength model of self-regulation: Conclusions from the second decade of willpower research. Perspectives on Psychological Science, 13(2), 141-145; Gärling, Tommy & Kirchler, Erich & Lewis, Alan & van Raaij, Fred. (2009). Psychology, Financial Decision Making, and Financial Crises. Sustainable Investment Research Platform, Sustainable Investment and Corporate Governance Working Papers. 10. 10.1177/1529100610378437.