Von klein auf an ein Traumberuf
Krankenschwester war immer mein Traumberuf – und ist es noch. Es ist rundum das, was mir Spaß bringt und ich gut kann. Was ich stattdessen machen könnte? Da fällt mir nichts ein.
Schon als Kind habe ich Krankenhäuser geliebt. Ich mochte den Geruch von Desinfektionsmitteln, und als ich meinen Großvater in der Klinik besuchte, war ich sehr beeindruckt, wie die Pflegerin mit Spritzen, Infusionen und Kabeln jonglierte, als gäbe es nichts Einfacheres auf der Welt. Im Berufsleben habe ich dann gemerkt, dass der Job mich persönlich massiv fordert, aber auch fördert. Ich bin mit 17 schneller erwachsen geworden als meine Freundinnen, weil ich früh mit emotional prägenden Situationen umgehen musste.
Vor ungefähr zehn Jahren dann hat es angefangen, dass ich nach der Schicht nach Hause gekommen bin und körperlich und mental völlig erledigt war. Immer öfter musste ich feststellen, dass ich eigentlich nur Schadensbegrenzung betrieben hatte. Medikamente verabreichen, Geräte überwachen und acht Stunden irgendwie hinter mich bringen, ohne dass jemand stirbt. Natürlich ist das frustrierend. Man will doch individuell auf die Patientinnen und Patienten eingehen und wirklich für sie da sein. Wir hatten schon immer Probleme mit Personalmangel, aber es ist immer gravierender geworden, und meine Unzufriedenheit weitergewachsen.
Deswegen habe ich mich umorientiert und arbeite jetzt nicht mehr auf der Intensivstation, sondern in der Anästhesie. Nun komme ich abends wieder mit einem normalen Puls nach Hause, es geht mir psychisch und physisch besser. Seit ich die Station im Mai 2020 verlassen habe, sind etwa 20 Kolleginnen und Kollegen gegangen. Die Fluktuation in der Pflegebranche ist enorm, die meisten Kliniken halten sich nur noch mit Zeitarbeit über Wasser.
Die Entscheidung für sich selbst
Die Entscheidung gegen den Job ist dabei immer auch eine für sich selbst. Der Wille sich aufzuopfern steckt in vielen, die sich für die Pflege entscheiden, aber man darf nie an den Punkt kommen, sich selbst kaputtzumachen.
Genauso wichtig, wie auf sich zu achten, finde ich aber, dass man sich berufspolitisch engagiert und selbstbewusst seine Interessen vertritt. Pflege ist eine anspruchsvolle Profession, wir sind auch gegenüber der Ärzteschaft eigenständig und können und müssen für uns selbst sprechen. Die Revolution muss von innen kommen.
Davon bin ich überzeugt, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, gegen Windmühlen zu kämpfen. Es gibt viele Dinge, in die ich unglaublich viel Energie gesteckt habe – mein Buch "I’m A Nurse" (erschienen bei Heyne), die Pflege-Doku mit Joko und Klaas, die "Stern"-Petition "Pflege braucht Würde!" – und außer medialer Aufmerksamkeit und allgemeiner Zustimmung hat sich wenig getan. Natürlich ist das total frustran und meine Motivation auch immer mal wieder im Keller. Aber wenn ich mein Engagement sein lasse, passiert ja erst recht nichts. Und dann ist auch schon klar, dass ich weitermache.