Im Kleiderschrank stapeln sich ungetragene Tops und im Schuhregal reiht sich ein Paar teurer Pumps an das nächste. Trotzdem führt der nächste Gang wieder in die Boutique, wieder mit einem Arm voller Klamotten, die man nicht braucht, an die Kasse. Dann kommt die Reue: Die neuen Outfits lösen keine Freude aus, sondern werden gleich in den Schrank gepfeffert. Wichtig war nur der Kick an der Kasse. Kaufsüchtige können nicht kontrollieren, was und wie viel sie kaufen.
In den alten Bundesländern gelten rund acht Prozent, in den neuen Bundesländern sechs Prozent der Bürger als kaufsuchtgefährdet. Besonders Frauen sind betroffen. Trotz der hohen Zahlen wurde in Deutschland bislang wenig nach Heilungsmöglichkeiten geforscht. Das Erlanger Uni-Klinikum hat jetzt erstmals während einer Studie eine nachweisbar wirksame Therapie entwickelt. Nach Angaben der Studienleiterin Dr. Astrid Müller aus der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung konnte mit ihrer Hilfe jedem zweiten Patienten geholfen werden, sein exzessives Kaufverhalten in den Griff zu bekommen. Die Therapie wurde ursprünglich an der University of North Dakota (USA) entwickelt. In Erlangen wurde sie von November 2003 bis Mai 2007 an insgesamt 51 Frauen und 9 Männern im Alter zwischen 20 und 61 Jahren erstmals für Deutschland getestet. Mit Erfolg. Bereits ab diesem Herbst wird eine neue Therapiegruppe am Uni-Klinikum Erlangen angeboten. Weiterbildungsangebote für ambulante Therapeuten sind ebenfalls in Planung.
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Bislang wurde Kaufsucht oft verharmlost und darum nicht behandelt. Doch woran lässt sich die Sucht von der reinen Lust am Shoppen überhaupt unterscheiden? Denn welche Frau liebt es nicht, durch Einkaufsstraßen zu bummeln, die Schaufenster-Deko zu bewundern und, wenn ihr etwas ins Auge fällt, zuzuschlagen - auch wenn es strenggenommen kein "notwendiger" Kauf ist. Ist das schon Kaufsucht? Oder ist man etwa suchtgefährdet, wenn man sich in stressigen Zeiten als Ausgleich mit einer Shoppingtour und einem Paar Schuhen belohnt?
Der Unterschied liegt im konkreten Verhalten. Betroffene hätten Studienleiterin Dr. Astrid Müller von täglichen Kaufattacken berichtet, davon, dass sie gleich mehrfach den gleichen Artikel oder nutzlose, unsinnige Dinge gekauft hätten. Bei kaufsüchtigen Frauen seien es eher Kleidung, Schuhe, Kosmetik, Lebensmittel und Haushaltsgeräte. Männer favorisierten hingegen eher Technikartikel, Sportgeräte, Autozubehör und Antiquitäten. Meistens würden die gekauften Dinge nicht benutzt.Stattdessen horten die Betroffenen sie oder verschenken sie an Freunde oder Bekannte. Bereits nach kurzer Zeit müssen sie wieder etwas Neues kaufen. Oft wird die Kaufsucht begleitet von Depressionen, Alkoholmissbrauch, Angst- und Essstörungen.
Eine eindeutige Ursache oder eine typische Kaufsucht-Persönlichkeit gibt es hingegen nicht. Experten haben in Untersuchungen allerdings festgestellt, dass Kaufsüchtige ein wesentlich schwächeres Selbstwertgefühl haben. Seelische Verletzungen, emotionale Vernachlässigung, Ablehnung und Gleichgültigkeit seitens der Eltern können hierbei ebenso eine Rolle spielen wie eine Erziehung, die materielle Güter zur Belohnung und Bestrafung einsetzt. Shoppen wirkt für Kaufsüchtige wie eine seelische Streicheleinheit. "Manchmal scheinen die Betroffenen auch die durch Kaufsituationen entstandenen Kontakte zum Verkaufspersonal zu genießen", sagt etwa Dr. Müller.
Wer Hilfe sucht, kann sich an die folgenden Selbsthilfegruppen wenden: "Kaufsucht" in Hannover E-Mail: S.Zimmer-Fiene@t-online.de Telefon: 05037-968 021 Internet:www.kaufsuchthilfe.de
Oder: "KAUSUD" im Raum Franken Telefon: 01520 / 19 99 092