"Nur noch zehn Tage, dann …", schreibt Lars mir heute morgen in seiner ersten WhatsApp des Tages. Ich schaue auf mein Handy und meine innere Sonne geht auf. Kennengelernt haben wir uns vor über vier Jahren an meinem letzten Urlaubsabend auf Kreta. Ich stand mit meiner Freundin in einer Bar und kam mit dem sympathischen Mann neben mir ins Gespräch: Lars, genau wie ich verheiratet mit zwei Kindern, genau wie ich ohne seine Familie hier. Schon diese erste Unterhaltung war leicht und erfrischend, ohne dass sie sich oberflächlich anfühlte. Die Chemie stimmte sofort zwischen uns. Wir zogen in eine benachbarte Disco weiter und plötzlich knutschten wir wie Teenager auf der Tanzfläche herum. Um drei Uhr nachts brachte Lars mich schließlich zu meinem Hotel. Als ich im Bett lag, bekam ich meine erste Textnachricht von ihm. "Schlaf gut. Ich freue mich auf ein Wiedersehen."
So richtig an ein Wiedersehen glaubte ich erst mal nicht, denn Lars wohnt 650 Kilometer von mir entfernt in einer anderen Ecke Deutschlands. Doch kaum wieder zu Hause angekommen, begannen wir uns unzählige WhatsApps und lange E-Mails zu schreiben. Über unseren Alltag, den Job, die Familie. Auch über Sex. Es war wie ein Sog. Schrieb Lars, ließ ich alles stehen und liegen, um zu antworten.
Meine Ehe war und ist belastet. Wir streiten viel, auch wenn wir uns immer wieder zusammenraufen. Mein Mann ist sehr mit sich selbst beschäftigt, kriegt vieles nicht mit. Obwohl ich es oft angesprochen habe, dümpelt auch unser Sexleben seit Jahren vor sich hin. Ich war also mehr als fasziniert davon, wie sehr sich Lars für mich und mein Leben interessierte und wie lustig und einfühlsam er war. Immer wieder schrieb er mir auch, wie attraktiv und anziehend er mich fand.
Geheime Treffen
Nach neun langen Monaten, in denen wir uns nur geschrieben hatten, hatte er geschäftlich in meiner Stadt zu tun und wir verabredeten uns. Der Abend übertraf die sowieso schon hohen Erwartungen bei Weitem. Aus der einen Nacht sind – trotz Corona und einer einjährigen Dating-Zwangspause – viele geworden. Nie hätte ich früher gedacht, dass ich einmal meinen Mann, mit dem ich schon so viele Jahre zusammen bin, betrügen und hintergehen würde. Das ist kein gutes Gefühl. Doch das, was sich zwischen Lars und mir entwickelt hat, ist so anregend und erregend, dass es süchtig macht und die Vernunft immer wieder ausschalten lässt.
Momentan sehen wir uns etwa alle zwei Monate. Lars holt mich nachmittags an irgendeinem Bahnhof ab. Wir fallen übereinander her, haben Sex im Auto, auf dem Hotel-Fußboden, im Pool und in der Sauna und probieren immer wieder neue Dinge miteinander aus. Während mein Mann mich eher süß findet, bin ich für Lars die "Femme fatale". Mit mittlerweile 55 Jahren habe ich mich noch nie so begehrt gefühlt, was ich ungemein genieße.
Aber es ist nicht nur das. Lars und ich gehen auch gemütlich essen, liegen gemeinsam in der Badewanne oder in der Hängematte und spazieren spätnachts engumschlungen durch Parks und über verwunschene Brücken. Diese Stunden sind so leicht, wild und auch romantisch, dass sie die manchmal schwierigen Seiten unserer Beziehung wettmachen.
Der Zauber der Beziehung
Denn natürlich hat die ihren Preis. Vor und nach den Treffen plagen mich manchmal heftige Schuldgefühle. Außerdem weiß ich natürlich, dass der Zauber unserer Beziehung vor allem daran liegt, dass wir keinen realen Alltag miteinander teilen. Denn trotz aller Leidenschaft macht Lars immer wieder deutlich, dass er sich nie von seiner Frau trennen wird. Und obwohl ich es mir manchmal trotzdem vorstelle und wünsche, ist das auch für mich keine wirkliche Option. Ich hänge an meinem jetzigen Leben. Dazu gehört auch mein Mann. Aber Lars eben auch. Einige der Freundinnen, die von ihm wissen, reagieren darauf mit Unverständnis.
Wie lange das alles noch gut geht? Keine Ahnung. Für mich gilt der Spruch: "Follow your heart." Und ich möchte, dass meine innere Sonne noch lange scheint. "Nur noch zehn Tage!", antworte ich.
*Name geändert