Wenn eine Frau davon ausgeht, dass es zwei Kategorien von Männern gibt, die richtigen und die falschen – dann kann sie sich immer darauf berufen, danebengegriffen zu haben. Dann sieht es aus wie ein Versehen, ein Missgeschick, wenn sie mal wieder den falschen aus dem Lostopf geangelt hat. Obwohl die Welt voller richtiger ist. Doch wer Männer einteilt in "richtig" und "falsch", irrt und macht sich damit automatisch – ein unschönes Wort – zum Opfer. Meist unbewusst. Denn es schwingt immer mit, dass einem etwas geschieht, wofür man selbst nichts kann. Und wenn wir ehrlich sind, schneidet meist der Mann, jener, der sich dann doch nicht einlassen wollte, zu distanziert blieb, schlechter ab als man selbst. Er ist der Böse, der Gestörte, der ein Problem hat und echt mal dringend eine Therapie machen sollte. Wir, hätten ja gewollt!
Angst vor Nähe
Tatsächlich, hätten wir das? Es ist nicht anzunehmen, dass das die Wahrheit ist. Auch wenn es an der Oberfläche so aussieht, als sei Bereitschaft für eine Beziehung auf einer Seite, der weiblichen, definitiv vorhanden gewesen, während sie auf der anderen, der männlichen, definitiv fehlte, stimmt das selten. Viele Frauen suchen sich Männer aus, die nicht zur Verfügung stehen. Nicht gezielt, nicht mit einer Taktik, aber unterbewusst läuft bei der Partnersuche immer etwas ab, was klar mit beiden zu tun hat. Wir müssen uns hinterfragen: Was ist so interessant an einem Mann, der nicht verfügbar ist? Interessant ist womöglich genau dieser Bindungsstil, der primär vermeidet, der Nähe, Liebe, Einlassen verhindert. Absurderweise.
Dr. Ilka Hoffmann-Bisinger ist Diplom-Psychologin, Gründerin und Leiterin des iska-berlin – Institut für systemische Kurztherapie, Beratung und Ausbildung. Auf die Frage, was dahintersteckt, wenn Frauen auf Männer stehen, die nicht zu haben sind, hat sie eine klare Antwort. "Angst vor Nähe. Man könnte metaphorisch auch sagen, es ist eine Angst, zur selben Zeit am selben Ort zu sein." Die Betroffenen selbst würden allerdings von sich behaupten, dass sie sich genau danach sehnen: nach Nähe, nach "demselben Ort zur selben Zeit". Das ist ein schönes Bild, weil es zutreffend beschreibt, was allzu gern von verliebten Frauen übersehen wird: Der Mann ist ganz woanders.
Nicht nur räumlich – obwohl das auch nicht selten vorkommt, weil räumliche Distanz wie in einer Fernbeziehung Nähe verhindert – sondern der Geliebte steht im Leben oft ganz woanders. Und dazu ist es noch so: Wenn eine Beziehung zwischen zwei Menschen besteht, in welcher einer der beiden nicht zu haben ist, werden meist Doppelbotschaften gesendet, die eine hervorragende Projektionsfläche für die eigene Interpretation bieten. Einerseits signalisiert der Mann Interesse, andererseits hält er die Frau auf Abstand. Dieses ‚Komm her – geh weg‘ wirkt wie eine Art magischer Liebestrank: Es werden dadurch extrem intensive Gefühle erzeugt, die als tiefe Leidenschaft erlebt werden. Man fühlt sich so lebendig wie nie zuvor.
Wer nicht zur selben Zeit am selben Ort ist, wirkt auf Frauen, die selbst unter Bindungsunsicherheit leiden, extrem anziehend: Sie müssen sich nicht auf ihn einlassen, können aber die Verantwortung für das distanzierte Verhältnis auf ihr Gegenüber schieben. Ilka Hoffmann-Bisinger hat in ihrer Praxis die Erfahrung gemacht: "Letztlich weichen die Frauen meist selbst zurück, wenn es ernst wird. Oder sie verlieren das Interesse an der Person." Damit das nicht geschieht, eignen sich Auserwählte perfekt, die spürbar weit weg sind. Bestes Beispiel ist der verheiratete Mann, von dem man weiß, dass er sich so schnell nicht trennen wird, auf den man sich aber dennoch einlässt.

Ich kenne Frauen, die sich scheinbar blind immer genau in jene verknallen, die vergeben sind. Das ist sicher kein Zufall. Meine Freundin Birte zum Beispiel ist seit Monaten wieder mit einem Vergebenen zusammen, der ihr aber immer versichert, daran würde sich eines Tages etwas ändern. An einem dieser Wochenenden, die sie natürlich allein verbrachte, klagte sie: "Warum verliebe ich mich immer in verheiratete Männer?" Tja. Warum? Denn wenn es doch ernst wird, ziehen sich solche Trennungen von Ehefrauen, von Familien, Kindern über Jahre hin und sind furchtbar. Doch meist kommt es gar nicht zu einer Trennung. Häufig sind die Ehefrauen auch durchaus nicht der Meinung, dass ihre Ehe bereits gescheitert sei, wie der untreue Gatte bei seiner Freundin behauptet.
Natürlich gibt es Ausnahmen, ich bin selbst so eine: Man hat sich wegen einer anderen von mir getrennt, und man hat sich auch einmal meinetwegen von einer anderen getrennt. Beides kommt vor, aber die Regel ist es nicht. Die Regel ist, dass wir, und ich schließe mich da absolut mit ein, Angst haben vor wirklicher Intimität und einer gelebten Partnerschaft. Und deshalb Männer anziehen, die ähnlich verbaut sind. Wir wissen nur nicht immer von unserem Schatten. Es ist einfacher, andere psychologisch zu demontieren und ihnen ein Etikett ("der Falsche") zu verpassen, als uns selbst infrage zu stellen.
Hoffmann-Bisinger bestätigt das: "Da den Betroffenen die eigene Angst nicht bewusst ist, fühlen sie eher die andere Seite: die Sehnsucht. Sie erleben sich dann als Opfer des falschen Mannes. In Wirklichkeit ist er genau der richtige, zumindest in diesem Lebensabschnitt: Er schützt sie vor zu viel Nähe und somit vor der Gefahr wirklicher Intimität und dem damit verbundenen Risiko, sich emotional verletzlich zu machen."
Wenn Mann kein Interesse hat
Was ich bemerkt habe, an mir und im Freundeskreis, ist, dass viel über das gerätselt wird, was der Mann nicht macht, nicht kann. Gespräche fangen, wie neulich mit meiner Freundin, gern so an: "Ich glaube, er hat Angst vor Nähe." ER. Er habe "Bindungsangst", meinte meine Freundin also.
Sie ist 39, eine attraktive Frau, die in jedem anderen Bereich sehr genau weiß, was sie will und was nicht. Sie hat keine Kinder, einen super Job, reist viel, ist selbstbewusst und stark. Nur das mit den Männern klappt nie so richtig. Sie geben immer weniger als sie selbst. Dennoch gesteht sie sich das nicht ein, sondern entschuldigt den Mann, verteidigt ihn sogar, geht immer wieder auf ihn zu und lässt sich mit spärlichen SMS abspeisen, die nach wochenlanger Pause weit nach Mitternacht eintreffen.
Leicht durchschaubar, aber nicht für Laura. Denn wir Frauen betrachten es als eine Art Sport, aus dem anderen Geschlecht ein ungeheuer kompliziertes Rätsel zu machen, das wir dechiffrieren wollen. Dabei ist die Lösung ebenso unkompliziert wie ernüchternd: Es ist meist das, wonach es aussieht. Wenn ein Mann keine Zeit hat, sich keine nimmt, sich nicht trennt, ist es ihm nicht so wichtig. Bindungsangst oder einfach nur nicht richtig verliebt sein ist von außen kaum auseinanderzuhalten. Die Schlüsse, die man ziehen sollte, sind die gleichen.
Es gibt so einen Spruch, den ich als Kompass ideal finde: "When people treat you like they don’t care, believe them." Wenn uns ein Mann behandelt, als habe er kein Interesse, dann hat er kein Interesse. Punkt. Adios, Amigo! Fahren Frauen nicht vielleicht besser, wenn sie sich das hinter die Ohren schreiben und aufhören mit ihren hobbypsychologischen Erklärungen für sein Nichtkönnen? Aber es ist natürlich nicht leicht, ein Muster von wiederkehrenden unglücklichen oder verletzenden Beziehungs- oder Datingerfahrungen zu durchbrechen.
Der Mann als Lückenfüller
Ich bin da ein gutes Beispiel, lange Zeit brauchte ich einen Mann, der mich verehrt, als sei ich Kleopatra. Ich fand heraus, dass viele meiner ehemaligen Liebhaber primär eine Funktion erfüllen sollten: mich toll finden, mich in Sicherheit wiegen, mich anhimmeln. Wenn all das zutraf, konnte ich mich entspannen, vertrauen, mich hingeben. Sie verschafften mir das Gefühl, ich sei wertvoll und einzigartig. Hach, schön. Bis ich ungemütlich wurde, weil ich es satt hatte, auf meinem Podest zu thronen, und die Bewunderung nicht mehr brauchte. Bis ich mich an ihnen abgearbeitet hatte. Solange ein Mann eine Lücke füllen und das Selbstwertgefühl heben soll, geht es mit Bravour schief. Das kann niemand leisten. Unvergessen der Mann, mit dem ich zwei Jahre lang eine Fernbeziehung zwischen Deutschland und Frankreich führte, die ich beendete, weil er so vieles nicht besaß, von dem ich glaubte, es selbst mitzubringen. Frauen benehmen sich manchmal so, als hätten sie eine Wunschkombination von Eigenschaften angekreuzt, und wenn diese Kombination nicht geliefert wird, sind sie entsetzt und enttäuscht.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse hatte ich erst vergangene Woche. Ich schrieb meinem mittlerweile Ex-Freund eine Nachricht. Wir haben immer noch Kontakt, weil, nun ja, da draußen in der Welt nicht viele sind, mit denen man eine solch tiefe Verbindung hat. Diese Verbindung ist es auch, die mich immer wieder grübeln lässt, ob er, der Falsche, vielleicht doch der Goldrichtige war.
Meine Nachricht: "Das mit uns wird nie funktionieren. Du bist einfach ein Punk!" Er antwortete auf Französisch: "Du bist auch ein Punk, Suzanne. Wärst du es nicht, würde ich dich nicht lieben." Schluck. Vielleicht bin ich äußerlich bürgerlicher als er, im Inneren aber genauso ein Freigeist und momentan genauso wenig in der Lage, eine klassische Partnerschaft zu führen?
Den gemeinsamen Nenner finden
Einen guten Trick, um aus dem Selbstmitleid herauszufinden, dem Lamentieren darüber, dass die Typen alle ein Rad abhaben, habe ich vor einiger Zeit entdeckt. Ich fragte mich, was der gemeinsame Nenner ist. Was haben all diese Männer in meinem Leben gemeinsam? Ich kam zu einer interessanten Antwort: mich. Mich haben sie gemeinsam. Ich bin also dafür verantwortlich, wen ich anziehe und wen ich links liegen lasse. Aber auch, auf welchen Männertyp ich mich zum hundertsten Mal euphorisch stürze, in der irrigen Hoffnung, er möge mich diesmal ganz machen.
Was bei aller Selbstreflexion jedoch nicht in den Hintergrund rücken sollte, ist, dass es natürlich Männer gibt, die definitiv nicht für eine Beziehung taugen. Sie senden allerdings meist, und das wird gern überhört, untrügliche Signale. Oft sind es subtile Botschaften, scheinbar harmlose Sätze wie "Ich kann zurzeit körperliche Nähe einfach besser zulassen ..." (Heißt: Ich will nur Sex, mehr nicht.) Das ist dann der perfekte Zeitpunkt, die Beine in die Hand zu nehmen, wenn man eine verbindliche Partnerschaft möchte. Man ist also gut beraten, die eigenen Bedürfnisse und Motive erst mal anzuschauen, bevor man den anderen ergründen will.
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