
Theoretisch könnte Sex in einer Beziehung die schönste Sach der Welt sein - wenn man sich einig wäre. Doch in vielen Partnerschaften herrscht ein Ungleichgewicht. Entweder er will mehr Sex - oder sie.
Paartherapeut Elmar Basse gibt Tipps, wie eine Beziehung wieder gelingen kann, wenn er mehr Sex möchte.
Eindeutig ersteres. Es gibt auch Frauen, die sexuell fordernder sind, aber diese Probleme erlebe ich in meiner Praxis seltener.
Es ist typischerweise so, dass Männer Nähe über Sexualität aufbauen. Sie haben eher das Gefühl, dass eine Paarbeziehung gut läuft, wenn es im Bett gut läuft. Einige können auch Stress durch Sex abbauen. Natürlich gibt es auch die, die in der Sexualität ein Dominanzverhalten an den Tag legen und sich beweisen wollen.
Reden ist - zumindest in der männlichen Sichtweise - nicht notwendigerweise besser als Sex, um Nähe aufzubauen. Hier können die verschiedenen Sichtweisen aufeinanderstoßen.
Das ist ein geschlechtsspezifischer Unterschied. Sex ist ein männlicher Weg. Klar könnte man reden. Das wäre dann ein weiblicher Weg. Für viele Männer ist es eher umgekehrt. Wenn das Sexualleben gut ist, hätten sie vielleicht mehr Lust zu reden oder etwas zu unternehmen.
Sex ist nicht einfach nur der Sex. Er wird auch als Mittel in der Partnerschaft eingesetzt. Wenn ein Mann merkt, dass die Frau nicht will, geht ihm eine Menge durch den Kopf. Er fragt sich natürlich, warum sie keine Lust hat. Will sie ihn unter Druck setzen oder auf Entzug? Oder ihn womöglich ändern?
Die Lust findet ja in einem Kontext statt. Es gibt einen bekannten Satz: "Damit ein Mann glücklich ist, reicht es oft, dass er an die Bierflasche greift, Sportschau schaut und die Frau an seiner Seite hat - aber ruhig." Damit es für die Frau stimmt, müssen vielleicht noch viele andere Dinge in Ordnung sein. Die Wäsche muss gemacht sein, die Fenster geputzt, die Steuererklärung abgeschickt. In vielen Frauen finden eine Menge mentaler Prozesse statt. Beim Mann ist biologisch gesehen die Lust nicht so gekoppelt an äußere Einflüsse. Deshalb ist für ihn - überspitzt gesagt - weniger plausibel, dass man erst verschiedene Dinge in Ordnung bringen muss, bevor man Sex hat.
Das ist natürlich nicht einfach. Aus verschiedenen Gründen kann es passieren, dass sich Frauen emotional und körperlich zurückziehen. Paare durchleben eine Entwicklung. Am Anfang ist die Beziehung logischerweise euphorisch, dann sind die Endorphine da. In dieser Phase öffnen sich die meisten Menschen. Das heißt, sie machen alle Poren auf - deshalb geht der Sex auch viel besser. Alle anderen Eigenheiten, die sonst vielleicht störend wären, sind dann weniger wichtig. Das bleibt aber nicht so. Nach einiger Zeit der Verliebtheit merkt man, dass der Partner irgendwie anders ist. Und weil Frauen mehr über Beziehungen nachdenken und empfindlicher sind, stören sie diese Dinge mehr. Das heißt, die reagieren mit emotionalem Stress auf das, was sie stört. Der Stress führt dazu, dass sie dicht machen. Sie werden leicht kämpferisch oder ziehen sich zurück, werden distanziert. Das führt auch zu körperlicher Verspannung. Wenn ich verspannt bin, habe ich auch gar keine Lust mehr. Das erleben Frauen so, können es sich aber schwer erklären. Sie stellen nur fest, dass irgendetwas nicht stimmt und suchen händeringend nach einer Erklärung.
Für viele Frauen ist die Deutung naheliegend, dass der Mann der Schuldige ist. Der aber hat vielleicht das Gefühl: "Ich habe doch nichts falsch gemacht. Ich kümmere mich doch." Manchmal sieht es sogar für ihn aus, dass er tun kann, was er will. Aber es wird trotzdem nicht besser. Diese gegenseitige Blockade lässt sich nicht einfach auflösen. Wichtig ist, dass beide wieder dahin gelangen, sich füreinander zu öffnen.
Zunächst einmal muss man natürlich schauen, wo konkrete Probleme liegen, Verletzungen oder Enttäuschungen, die es aufzuarbeiten gilt. Auch welche Erwartungen die Partner aneinander haben. Es kann aber auch hilfreich sein, wieder an die Phasen anzuschließen, in denen die Verliebtheitsgefühle da waren. Wieder stimulierende Erlebnisse in ihre Paarbeziehung zu bringen, sich aus dem Alltagstrott mehr und mehr rauszureißen. Das kann zum Beispiel dadurch sein, dass man Dinge tut, die unvorhergesehen sind, die einen überraschen. Das macht neugierig - und Lust.
In Hamburg gab es einmal ein Angebot, dass sich auch Paare aus der Stadt in einem Hotel ein Zimmer mieten können. Ein Wellness-Wochenende, ein Ballon-Flug - das wären weitere Beispiele. Es muss auch nicht immer aufwendig sein. Einfach Dinge, die einen Unterschied machen. Dinge, die einen aus dem Alltagstrott herausreißen - auf eine positive Art und Weise.
Es kommt darauf an, wie die beiden Partner gestrickt sind. Ich würde es nicht als Allheilmittel für jeden verkaufen wollen. Wenn beide Partner positiv darauf reagieren und wenn es zu einer wahrnehmbaren Verbesserung führt, dann ist man auf dem richtigen Weg. Wenn ich als Frau aber feststelle, dass ich dem Partner jedes Wort aus der Nase ziehen muss, dann ist nicht zu erwarten, dass es sehr hilfreich ist. Die Vorhaltung "Du musst mehr reden lernen" ist dann nicht sinnvoll. Es ist biologisch ganz einfach - Endorphine kommen, wenn Neugier-Verhalten erzeugt wird. Wenn neue Reize da sind, die positiv aufgenommen werden. Mehr in den Körper hinein - weniger in den Kopf.
Dr. Elmar Basse ist Paartherapeut aus Hamburg. Wenn Sie mehr über seine Arbeit erfahren wollen, klicken Sie auf www.pp-praxis.de.