Bin ich als Dauersingle wirklich nicht vermitteltbar? "Du bist einfach zu wählerisch!" lautet ein Vorwurf, der Frauen an sich zweifeln lässt. Und Sprüche wie diese helfen kaum, sich endlich wieder einem neuen Partner zu öffnen. Wir sprachen mit Psychotherapeutin und Buchautorin Stefanie Stahl über Tipps, wie Dauersingles wieder eine Beziehung finden können. In ihrem Buch "Jein" hat sich Stahl damit auseinandergesetzt, wie Bindungsängste erkannt und bewältigt werden können.
Das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Einige möchten bewusst eine Zeit allein sein, andere haben sich schlicht mit dem Singleleben arrangiert. Es könnte aber auch eine Bindungsangst dahinter stecken. Die muss den Betroffenen gar nicht bewusst sein. Ein solche Angst verbirgt sich manchmal auch hinter einer Arbeitssucht - nach dem Motto "Ich habe keine Zeit für eine feste Beziehung". Oder verliebt sich eine Frau eventuell immer in einen Mann, der schwer zu haben ist? Das könnte ebenso ein Zeichen sein.
Viele Paare finden sich über den Job oder - was heute sehr oft vorkommt - über das Internet. Insofern glaube ich an diese Begründung nicht wirklich. Frauen, die das von sich sagen, denken vielleicht, dass es ein Makel sei, keinen Mann zu haben, und benutzen den Job als Entschuldigung. Wie gesagt, die Arbeit kann Bindungsängste verdecken. Die Frau vermeidet unbewusst eine feste Partnerschaft, weil sie Angst hat, einem Mann nicht zu genügen und verlassen zu werden. Bei Bindungsangst ist die Angst vor dem Scheitern einer Beziehung größer als der Wunsch nach ihr. Aber dies ist den meisten nicht bewusst. Insofern können sie dieses Problem auch nicht bearbeiten. Und dann bleiben sie entweder lange Single oder ihre Beziehungen scheitern immer wieder.
Indem ich mich mit meinen tieferen Ängsten und Sorgen auseinandersetze. Zum Beispiel mit der Angst, nicht zu genügen. Der Angst, zu scheitern. Der Angst, mich festzulegen. Einige Frauen sind aber auch süchtig nach fortwährender Selbstbestätigung und wollen Männer erobern, die schwer zu haben sind. Haben sie endlich einen an der Angel, ist er schon wieder uninteressant. Und die Männer, die sich von Anfang an für sie interessieren, wollen sie nicht, weil sie von denen die Selbstbestätigung bereits bekommen. Also, die Auseinandersetzung mit der Frage "In welcher Form benötige ich Selbstbestätigung, um meinen Selbstwert zu stabilisieren?" ist für Dauersingles sehr wichtig.
Das grundlegende Problem bei allen Bindungs- und Beziehungsängsten ist das Selbstwertgefühl. Ich kann niemandem vertrauen, wenn ich mir selbst nicht vertraue. Menschen mit einem niedrigen Selbstwert wollen keine Zurückweisung riskieren, weil sie extrem kränkbar sind. Außerdem können sie sich nicht vorstellen, dass jemand sie liebt, wie sie wirklich sind. Deswegen meinen sie, sich für den Partner verbiegen zu müssen. Das führt aber zu dem Gefühl, sich selbst zu verlieren und vor der Liebe flüchten zu müssen. Oder sie hängen sich wie ein Klammeräffchen an ihren Partner. Sie müssen also lernen, sich zu akzeptieren - und zwar mit ihren Schwächen. Und die unerreichbare Perfektion aufgeben.
Nein, die Vorstellung der großen Liebe hängt von einem selbst ab. Sie hat nichts zu tun mit einer hysterischen Verliebtheit am Anfang einer neuen Beziehung. Im Gegenteil, meiner Meinung braucht sie noch nicht einmal das große Kribbeln. Die große Liebe ist ein tiefes Gefühl der Verbundenheit, gemeinsamer Werte, Einstellungen und Interessen. Dafür braucht sie aber eine realistische Vorstellung. Wenn die Liebe bedeuten soll, dass mein Mann perfekt sein soll und mir alle Wüsche erfüllt, wird sie niemals kommen.
Man kann auch in einer Partnerschaft bequem leben. Eigentlich muss man wenig aufgeben und kann viel gewinnen. Die Menschen, die meinen, viel aufgeben und viele Kompromisse eingehen zu müssen, leiden oft unter einer Bindungsangst. Es sind eben jene, die glauben, sie müssten sich für einen Partner verbiegen und ihm alles Recht machen. Sie sind konfliktscheu und können sich innerhalb einer Partnerschaft schlecht abgrenzen. Deswegen grenzen sie sich äußerlich umso stärker ab. Das zu erkennen, ist aber schon der erste Schritt, um es zu ändern.
Warum denn nicht? Soll man sich dafür schämen? Selbstbewusstsein macht sexy!
Stefanie Stahl Buch "Jein" 272 Seiten Ellert & Richter Verlag 14.95 Euro
Mehr bei BRIGITTE.de: Diese Single-Sprüche nerven richtig Speeddating: Willkommen im McDrive der Liebe